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Nach dem Tode des letzten Herrschers aus dem Hause des
Herodes, des Königs Agrippa II. (gest. im Jahre 100), der durch
seine Bundesgenossenschaft mit den Römern sich den Bestand seiner
Königswürde auch über den Fall von Jerusalem hinaus gesichert
hatte, schwand auch dieser Schein einer staatlichen Selbständigkeit
des Judenlandes. Palästina erscheint hinfort als ein Teil der
Provinz Syrien. Maßregeln dieser Art sollten die politische Macht
des Judentums brechen. Allein das jüdische Volk gab trotz der
furchtbaren Verluste des letzten Kriges, trotz der planmäßigen Unter-
drückung seiner staatlichen Selbständigkeit und trotz seiner Zerstreuung
durch die Provinzen des Römerreiches seine hochgespannten Hoff-
nungen nicht auf. Es hielt fest an dem Gedanken seines Gottes-
reiches auf Erden. In der Begeisterung ihrer Messiashoffnungen
griffen die Juden wiederholt zu den Waffen, so in Ägypten, in
Cyrene, auf Cyperu, in den Enphratländern, „den Hauptfitzen der
jüdischen Diaspora". Alle diese Versuche scheiterten, trotz der an-
fänglichen Erfolge, wie sie bei dem einen und dem andern möglich
wurden. Überall dann dasselbe Ergebnis: je schwerer dem Römer
die Mühe, den Aufstand zu unterdrücken, um so furchtbarer seine
Strenge gegenüber den Aufständischen.
Bei der unbegrenzten Vielheit der göttlichen Gewalten, die das
Heidentum anerkannte, war es in dem Wesen des Heidentums be-
gründet, daß es gegen Inhalt und Form der Religion bei Anders-
gläubigen sich duldsam erwies. So hatten auch die Römer den Juden
Lehre und Ausübung ihrer besondern Religion bisher nicht kein-
trächtigen wollen. Wo dies etwa durch den Übereifer einzelner
Beamten geschah, erfolgte von Rom aus die Abhilfe. So bestanden
in Palästina unter andern die Schulen der Schriftgelehrten auch
jetzt noch nach wie vor, und die Thatigkeit der Rabbinen, der Ge¬
setzeskundigen und Gesetzeslehrer bei den Juden, entfaltete sich unter
den Augen der Römer ungehindert und unbeschränkt. Lediglich die
Staatsidee der Inden war es, welche den Römern unvereinbar
erschien mit dem Frieden des Reiches und mit dem Zusammenschluß
seiner weitverzweigten Teile.
Da wurden von Kaiser Hadrian (117—138) Maßregeln ge¬
troffen, welche die Juden als eine beabsichtigte Verhöhnung ihres
religiösen Gefühls und als einen zielbewußten Angriff auf den
Fortbestand ihrer Religionsgemeinschaft deuteten.
Die dritte große Reise, die Hadrian als unermüdlicher Fuß-
gänger durch die Provinzen des römischen Weltreiches machte, führte
ihn im Jahre 130 auch nach Palästina. Hier verfügte er die
Gründung einer römischen Kolonie zu Jerusalem und den Aufbau