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die Macht der bestehenden Verhältnisse, durch welche dieser Strom
in seiner Ausbreitung eingedämmt und in seinem Weiterfluten ge-
hemmt wird; es tritt ihm eine nicht minder mächtige Gegenströmung
entgegen. Wie die Bauern nach Umgestaltung der bestehenden Ver-
Hältnisse strebten, um durch dieselbe ihre Freiheit zu erlangen und
in dieser Freiheit den andern Ständen gleich zu sein, so erstrebten
die Herren der Bauern gleichfalls eine Änderung der bestehenden
Verhältnisse, aber um damit den Bauer erst recht zu knechten. Es
war dies ein Ergebnis des Eindringens des römischen Rechts in
Deutschland.
Wahrhaft beklagenswert erscheint damals das deutsche Volk
wegen der Rechtsverwirrung, wie sie infolge der Zurückdrängung des
heimischen Volksrechtes und der Einführung des römischen Rechtes
entstehen mußte. Die von den Rechtslehrern an den Hochschulen
befürwortete Übertragung des römischen Rechts wurde von den
Herren groß und klein gut geheißen, weil sie von derselben eine
Stärkung ihrer Herrengewalt erwarteten. Das Volk soll Steuer
zahlen und Dienste leisten nach dem Willen des Herrschers; eine
andere Geltung wird ihm gegenüber der durch das neue Recht ge-
währleisteten Allgewalt des Landesherrn im Staatsleben nicht ein-
geräumt. Selbst jeder Beamte des Landesherrn dünkt sich zur
Herrschaft über das Volk und zur Ausnutzung seiner Kräfte be¬
rechtigt. Die Rechtslehrer wiesen auf Grund des römischen Rechts
dem Landesherrn die Befugnis zu, das Gesamteigentum der Ge-
meinden, die Markgenossenschaft (die Allmende), „dieses uralte Heilig-
tum der deutschen Ackerwirtschaft" an sich zu ziehen. Eben daher
leiteten sie für den Bauer die Verpflichtung ab, von jedem Grund-
stück, das er bebaute, dem Herrn Zins zu zahlen, gleichviel ob
dieses Grundstück dem Bauer als freies Gut erb und eigen war oder
nicht. „Wo dies nicht anging, da sollten auch die bisher freien
Bauern als coloni und gar als servi d. h. als Zinspächter bez.
als unfreie Arbeiter im Sinne des römischen Rechts angesehen
werden." Bei dieser Entwicklung mußte der Bauer zuletzt that-
sächlich rechtlos werden.
Der Sinn des Volkes bekundet indes allezeit ein feines Em-
pfinden für jedwede Umgestaltung des lebendigen Rechtes in seinen
Satzungen wie in seinen Grundlagen. So auch beim deutschen Volke.
Der ureigenste Besitz des Volkes, das aus der Mitte des Volks-
lebens heraus von seinen Vätern geschaffene und durch Jahrhunderte
treu bewahrte Recht soll ihm genommen werden. Ein papiernes
Recht, welches ihm fremd und unverständlich bleiben wird, soll ihm
aufgenötigt werden. Es sieht sich das deutsche Volk hinfort aus-