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10. Wilhelm I. und Bismarck bis zum Jahre 1864.
1. Wilhelms I. Jugendjahre. Wilhelm I., der zweite Sohn Friedrich
Wilhelms III., wurde 1797 geboren. Seine Jugend fiel in eine trübe Zeit. 1797.
Obwohl er keineswegs kräftig war, fühlte er sich doch zum Soldatenstande
hingezogen. 1814 in Frankreich hatte er die erste Gelegenheit, sich kriegerisch
auszuzeichnen (bei Bar-sur-Aube). Die folgende Zeit des Friedens
widmete er mit besonderer Sorgfalt seiner militärischen Ausbildung.
1829 vermählte er sich mit der Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar.
2. Wilhelm, Prinz von Preußen. In der Zeit der Verfassungskämpfe
galt der „Soldatenprinz" bei vielen mit Unrecht als ein Feind des Volkes.
Er mußte daher 1848 auf Befehl des Königs auf einige Zeit das Land
verlassen; sein Palais in Berlin wurde zum „Nationaleigentum" erklärt.
Seit 1850 lebte er als militärischer Befehlshaber von Rheinland und
Westfalen in Koblenz, wo er im Kreise seiner Familie ein ruhiges Glück
genoß und auch die Zuneigung der Bevölkerung gewann, je mehr seine
wahren Charaktereigenschaften, seine Einfachheit, Bescheidenheit und strenge
Pflichttreue, hervortraten. Seine Tochter Luise vermählte sich mit dein
Großherzog Friedrich von Baden, sein Sohn Friedrich Wilhelm
mit Viktoria, Prinzessin von England.
3. Wilhelms I. erste Regierungsjahre. 1858 übernahm Prinz Wilhelm 1858«,
die Regierung für seinen unheilbar erkrankten Bruder.
Schon als Prinzregent erkannte er, daß eine neue Heerordnung
dringend' notwendig sei, wenn Preußen seine Aufgabe, der Schutz und
Hort Deutschlands zu sein, erfüllen sollte. „Möge es mir", sagte er in
einer Ansprache, „unter Gottes Beistand gelingen, Preußen zu neuen
Ehren zu führen." Namentlich sollten die Truppen vermehrt werden. Als
Wilhelm 1861 nach dem Tode seines Bruders König wurde, war er 1861.
entschlossen, den vom Kriegsminister Roon entworfenen Plan für die Neu-
ordnuug des Heeres durchzuführen und die Preußen zu einem „Volk in
Waffen" zu machen. Das Abgeordnetenhaus lehnte jedoch die Be-
willigung der dazu erforderlichen Geldmittel ab. Nun übertrug der König,
während Roon anfing, die neuen Einrichtungen durchzuführen, Bismarck.
1862 die Leitung des Ministeriums.
4. Otto von Bismarck, aus altadligem Gefchlechte, wurde geboren am
1. April 1815 zu Schönhausen in der Mark. Er studierte in Göttingen 1815.
Rechts- und Staatswissenschaft, arbeitete einige Jahre im Gerichtswesen und
in der Verwaltung und bewirtschaftete dann seine Güter in Pommern. Nach
dem Tode seines Vaters übernahm er das Gut Schönhausen. In der Arbeit
wie im Lebensgenuß zeigte er eine außerordentliche Kraft und Ausdauer,
so daß man ihn den „tollen Bismarck" nannte. Nicht ohne Sorge gab
der pommersche Gutsbesitzer v. Puttkamer feine Einwilligung, als Bismarck
dessen Tochter Johanna zur Gemahlin begehrte. Als Abgeordneter im
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