106 Das Mittelalter,
Seiten derselben waren schlanke Türmchen, auf der Spitze dagegen wurde
eine Kreuzblume angebracht (vgl. die Abbildungen Taf. VII).
Grundriß. Der Grundriß, der sich an die alte Basilika anschloß, besaß die (sym-
bolische) Kreuzgestalt, indem das Langhaus (mit Hauptschiff und Neben¬
schiffen) von einem ein- oder mehrschiffigen Querhaus durchschnitten wurde.
Die Fortsetzung des Langhauses bildete der Chor, den häufig ein Umgang
umgab (vgl. Grundriß des Kölner Domes Taf. VII). An der Stirnseite
ragten ein oder zwei Türme empor. Im Unterbau des Turmes oder, wenn
es mehrere waren, zwischen diesen war der reichgeschmückte Eingang (das
Portal. Portal (vgl. die sog. Brautthür der Sebalduskirche in Nürnberg Taf. IX)),
. der gewöhnlich in drei Thore zerfiel. Über dem mittleren war ein sehr
großes Radfenster („Rose", oft 1'2 m im Durchmesser) oder ein Spitzbogen-
fenster angebracht. Die Türme gingen aus dem Viereck in ein Achteck
Türme. über; sich fort und fort verjüngende Spitztürmchen, „Fialen", umgaben
ihn, Wimperge erhoben sich über den Fenstern; der durchbrochene Helm, in
Form einer achtseitigen Pyramide aufsteigend, lief in eine Kreuzblume aus.
Norddeutsche In dem an Hausteinen armen Norddeutschland verursachte der Bau-
Abweichungen. der Backstein, einige Änderungen der Bauweise. Die massiven Mauern
wurden beibehalten, dagegen unterblieb die Herstellung von Maßwerk und
Fialen; farbige Ziegel bewirkten die Gliederung. (Marienkirche zu Lübeck.)
Kirchenbauten. Berühmte gotische Kirchen sind die Liebfrauenkirche in Trier, die
Elisabethkirche in Marburg, das Freiburger und das Straßburger
Münster; des letzteren Stirnseite begann Erwin1) (f 1318). Dazu
kommen der Stephansdom zu Wien, der Veitsdom zu Prag und das Ulmer
Münster. Die Krone aller gotischen Kirchen ist der Kölner Dom, der
von Erzbischof Konrad von Hochstaden im Jahre 1248 gegründet, aber
erst im Jahre 1880 vollendet wurde.
Weltliche Bauten. Die Bürger nahmen die von ihnen schon an zahlreichen Pfarrkirchen
angewandte Bauweise auf ihre Rat- und Zunfthäuser wie auf ihre Gild-
halleu hinüber zuletzt auch auf die Wohnhäuser (vgl. Backsteinhaus in
Greisswalde Taf. XII). So in Vlamland und Brabant, Braunschweig und
Bremen (vgl. Taf. XI).
Wie die romanische, so brachte auch die gotische Kunst herrliche kunst¬
gewerbliche, wie plastische Schöpfungen hervor (vgl. goldene Monstranz
Taf. VII, Statue der heil. Elisabeth Taf. XVII).
Dichtkunst. Das Jahrhundert der staufischen Friedriche war die erste Blütezeit der
deutschen Dichtung. Auf diesem Gebiete trat die Geistlichkeit bald zurück,
und der Stand, der jenen Tagen das Gepräge gab, das Rittertum, ergriff
davon gleichsam Besitz. Französischen Einflüssen folgend^), fchitf es das
Kunstepos und höfische Heldenlied (Kunstepos) und die höfische Lyrik iKuustlyrik); kundige
Kunstlyrrk. Männer, deren Namen verschollen sind, fügten alte Heldenlieder zusammen und
Volksepen, schenkten ihrem Volke das Nibelungen- und das Gudrunlied. Die beiden
Vorläufer des Kunstepos hatten noch Geistliche zu Verfassern: Das Rolands-
1) Der Zusatz von Steinbach ist falsch.
2) Der Inhalt der meisten höfischen Epen stammte aus der bretonischen Artus-
und aus der Gralsage. Jene hatte in Chrestien von Troyes einen dichterischen
Bearbeiter gefunden.