Full text: Der Lehrstoff der ersten Klasse (Teil 2: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in Seminaren, Abt. 3)

14 Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. § 190. 
29. Juli die Ordonnanzen zurücknahm, war bereits eine vorläufige Re- 
gierung im Stadthause eingesetzt) die Nationalgarde wurde einberufen 
und unter Lasayettes Befehl gestellt. Der Herzog Louis Philippe von 
Orleans wurde zunächst zum Statthalter eingesetzt und, da ein von Thiers 
verfaßtes Manifest die Republik verwarf, bald darauf zum König aus- 
gerufen. Karl X. hatte, da er für sich und seine Familie den Thron nicht 
retten konnte, samt dem Dauphin zugunsten des nachgebornen Sohnes 
des Herzogs von Berry verzichtet, ohne damit etwas zu erreichen. Er¬ 
ging zum dritten Male in die Verbannung und starb 1836 zu Görz. 
§ 190. Die Trennung Belgiens von Holland, 1830. 
1. Gegensätze zwischen Belgien und Holland. Das Müudungs- 
gebiet des Rheins, der Maas und der Scheide war unter dem Namen 
Niederlande bis zur Utrechter Union 1579 zu einem Staatswesen ver- 
einigt. Nach der Trennung standen die nördlichen Provinzen unter 
einem Statthalter, während die südlichen Gebiete im Frieden zu Rastatt 
1714 an Österreich fielen. Der Wiener Kongreß vereinigte beide Teile 
zu einem Königreich und setzte Wilhelm von Oranien zum Könige ein. 
Die Vereinigung hatte keinen Bestand,- denn die Verschiedenheit in Re¬ 
ligion, Sprache und Erwerbsleben bildete zwischen Belgiern und Hol- 
ländern eine tiefe Kluft. In Belgien war das katholische, in Holland 
das evangelische (reformierte) Bekenntnis vorherrschend. Die holländische 
oder niederländische Sprache ist eine niederfränkische Mundart, gehört 
also zum germanischen Sprachstamme, während in Belgien sich allmählich 
die französische Sprache eingebürgert hat und in Südbelgien noch das 
Wallonische, ein Gemisch von romanischen und keltischen Sprachelementen, 
gesprochen wird. Die Bewohner Belgiens sind neben Ackerbau haupt¬ 
sächlich aus Industrie angewiesen,- die Holländer treiben vorzugsweise 
Handel und Schiffahrt. 
Die Holländer betrachteten sich nach 1815 als die Herren und nahmen 
aus die Eigenart des belgischen Volkes keine Rücksicht. Die Mehrzahl 
der Beamten waren Holländer- der König und die obersten Verwaltungs¬ 
behörden hatten ihren Sitz in Holland. Drückende Steuern, die bis 
dahin den Belgiern fremd waren, erweckten Erbitterung,- diese wuchs, 
als selbst der katholische Unterricht in Belgien der reformierten Behörde 
unterstellt wurde. Der Widerstand wurde mit Gewalt unterdrückt,- 
Verbannung (Potter) und Gesängnis waren an der Tagesordnung. 
2. Der Aufstand. Da gab die französische Julirevolution den 
Anlaß zur Erhebung,- man erstrebte jetzt nicht mehr Verständigung, 
sondern Trennung. Am Abend des 25. August begann in Brüssel der 
Aufstand, der sich bald über das ganze Land verbreitete. Nur wenige 
Festungen, darunter Antwerpen, konnten die Holländer halten. Als auch 
diese Festung von den Aufständischen genommen wurde und der Kom-
	        
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