Full text: Lehrbuch der deutschen Geschichte für Seminare und höhere Lehranstalten

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Christenmenschen (1520). In dieser letzten Schrift betont er im ersten Theile, 
daß der Glaube allein fromm macht und alle Gebote erfüllt, und hebt im zweiten 
Theile hervor, daß aus dem Glauben die guten Werke entspringen, welche nöthig sind, 
weil der Mensch auf Erden müsse seinen Leib regieren und mit Menschen umgehen. 
So lebet ein Christ „in Christo durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe. Durch 
den Glauben fährt er über sich in Gott; aus Gott fähret er wieder unter sich durch die 
Liebe,' und bleibet doch immer in Gott und göttlicher Liebe. Siehe, das ist die rechte 
geistliche, christliche Freiheit, die das Herz frei machet von allen Sünden, Gesetzen und 
Geboten, welche alle andere Freiheit übertrifft, wie der Himmel die Erde." 
Unterdessen war Dr. Eck aus Rom mit der Bannbulle gegen Luther zurück- 
gekehrt. Diese päpstliche Bulle, Exsurge Domine, verdammte 44 Sätze aus Luther's 
Schriften, sprach den großen Bann über alle aus, die Luthers Sätze annehmen würden, 
forderte von Luther den Widerruf und verurtheilte alle seine Schriften zum Feuer. 
Wenn Luther seine Jrrthümer nicht widerrufen würde, so sollte er und seine Anhänger 
als dürre Reben, die in Christo nicht bleiben, und als öffentliche und halsstarrige 
Ketzer verdammt sein. Dr. Eck drängte sich selber auf, um diese Bulle zu verkündigen 
und zu vollstrecken. Das zog ihm aber großen Haß zu, und mehrere Bischöfe und 
Miltitz fühlten sich durch fein Verfahren verletzt. Miltitz verhandelte daher aufs neue 
mit Luther und suchte ihn zu einem Versöhnungsschreiben an den Papst zu bewegen. 
Luther schrieb zwar auch an den Papst und übersandte ihm das Buch von der Freiheit 
eines Christenmenschen, aber der Brief selbst und noch weniger die Anlage, zumal da 
Luther in dem Briefe selbst auch die kirchlichen Schäden scharf angriff, konnten nicht 
begütigen. Luther blieb dabei stets getrosten Muthes und meinte: „Wenn es geräth, 
wie wir hoffen, so ist's gut; wenn's anders wird, so ist's auch gut, weil es Gott also 
gefallen hat." Er griff auch in einer neuen Schrift „von der babylonischen 
Gesangenschast der Kirche" die römische Tyrannei schärfer als zuvor an. Seine 
Gegner, sagt er, machten ihn täglich gelehrter, schon jetzt wisse er, daß der Ablaß 
Betrug sei, daß das Papstthum sei das Reich Babylons, daß nicht sieben, sondern nur 
drei Sakramente (Taufe, Buße, Abendmahl) seien, daß die Entziehung des Kelches, die 
Transsubstantiation und das Meßopfer verkehrt seien. 
Im September wurde die Bannbulle gegen Luther publicirt, aber selbst in Leipzig 
fand Eck trotz der Gunst des Herzogs schlechte Aufnahme. Er wurde verspottet und 
mußte sich vor den Drohungen verbergen. In Erfurt wurde die Bulle zerrissen und 
in Wittenberg, Zeitz, Bamberg u. f. w. wurde sie gar nicht publicirt. Trotzdem ließ 
sich der päpstliche Legat Hieronymus Aleander vernehmen: Der Papst könne 
Kaiser und Könige absetzen, er werde wohl auch mit ein paar elenden Grammatikern 
fertig werden und auch diesen Herzog Friedrich (von Sachsen) zu finden wissen. Aber 
Herzog Friedrich, dem Aleander in Köln die päpstlichen Schreiben übergab, worin er 
aufgefordert wurde, die Bulle gegen Luther zu vollziehen, wies diese Zumuthung ab 
und beschwerte sich über die Bulle und Eck's Verfahren, insbesondere, daß man wider 
das Versprechen Luther ungehört verdamme, die Bulle in seiner Abwesenheit in seinem 
Lande publicirt und auch andere Glieder seiner Universität dabei namhaft gemacht 
habe. Luthern kam sie im October zu Gesicht, und er behandelte sie anfangs als 
unächt und als eine Eck'iche Lüge, erneuerte aber feine Appellation an ein Concil und 
schrieb im November „wider die Bullen des Antichrist." Das Verdammen seiner 
Schriften ohne sie zu widerlegen sei leicht, auch könne er es leiden, denn er habe durch 
sie zur Bibel führen wollen, wenn die nur bliebe. Weil aber Christus geboten habe, 
ihn zu bekennen, ]o dürfe er nicht schweigen und die Seelen verführen lassen, es gehe
	        
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