Full text: Lehrbuch der deutschen Geschichte für Seminare und höhere Lehranstalten

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die ihn von allem in ungeschminkter Gewandtheit berichten lässt, die Wärme 
des Gefühls für sein Volk, welche sich auch ohne ruhmwürdige Verherr¬ 
lichung besonders in der Aufzeichnung der alten Sagen kund gibt. Sehen 
wir nun aber vollends auf den materiellen Werth seiner Geschichte, so ist 
derselbe unbedenklich als ganz unschätzbar anzuerkennen; wir verdanken ihm 
eben die Bewahrung jenes reichen, durch keine spätere Gelehrsamkeit ver¬ 
fälschten Sagenschatzes, und vieles über die Geschichte der Longobarden, was 
er aus dem Secundus von Trident und anderen verlorenen Quellen schöpfte, 
wie auch die Aufzeichnung mündlicher Ueberlieferung: rettungslos würde 
alles dieses nach dem Sturze des Reiches dem Untergange verfallen sein, wenn 
nicht des alten Mönches Hand es mit treuer Liebe aufgezeichnet hätte." — 
Es ist ein unersetzlicher Verlust für die Geschichte, dass das Werk des 
Paulus da aufhört, wo er ganz aus der Fülle seiner eigenen Erlebnisse 
schöpfen konnte. — Für die letzte Zeit des Longobardenreiches bleiben als 
Quellen: die Biographien der römischen Päpste, die Chronik des Mönches 
Benedikt vom Berge Sorakte, das Leben der heiligen Amelius und Amicus, 
die Chronik von Novalese und die Chronik von Salerno. 
9113 Nari es 13 Jahre Statthalter (Exarch) gewesen war, wurde er aus Betrieb 
der von ihm beleidigten, ränkesüchtigen Kaiserin Sophia, der Gemahlin des schwachen 
Iustinus II., von diesem abgesetzt. Die Kaiserin soll gesagt haben, „der Eunuche solle 
das Kriegsamt Männern überlassen und heimkehren, um mit den Mägden in der 
Weiberstube Wolle zu spinnen"; Narses habe darauf geantwortet, „er wolle ihr ein 
Gespinnst anfertigen, das sie ihr Lebenlang nicht werde entwirren können". Von 
Neapel aus rief dann Nayes als seine Rächer die Longobarden aus Pannonien 
nach Italien, die dem Rufe gern Folge leisteten und unter ihrem Heerkönig Alboin 
nach dem ihnen seit dem Gothenkriege schon bekannten schönen Lande zogen. Alboin 
hatte zuvor die benachbarten Gepiden unterworfen, den König Kunimund erschlagen 
und dessen Tochter Rosa munde gezwungen, seine Gemahlin zu werden. — Ohne 
großen Kampf eroberte er die Landschaften Venetia und Jstrien, Mailand und die 
kneisten Städte Liguriens und legte so den Grund zum L on go b a rdenrei che in Italien. 
Während einzelne Heerhaufen Mittelitalien zur Unterwerfung brachten, lag Alboin vor 
Pavia, um diese feste Stadt zu erobern. ees 
Nachdem aber Pavia die Belagerung drei Jahre und etliche Monate 
ausgehalten hatte, ergab es sich endlich dem Alboin und dessen Longobarden. 
Als nun Alboin von Osten her durch das St. Iohannisthor in die Stadt 
einzog, stürzte sein Pferd mitten im Thor, und weder durch die Sporen 
des Reiters noch durch die Schläge des Marschalls konnte es wieder auf 
die Beine gebracht werden. Da sprach ein Longobarde zu Alboin: „Er- 
innere dich, mein König, was für ein Gelübde du gethan hast; brich 
dieses grausame Gelübde, und du wirst alsbald in die Stadt einziehen; 
denn wahrhafte Christen sind es, die sie bewohnen." Alboin hatte 
nämlich gelobt, die gefammte Bevölkerung mit dem Schwerte umzubringen, 
1) Paulus Diaconus, II. cap. 27, 28, 29.
	        
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