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Kaiserpaar an das deutsche Volk wandte. Der Kaiser selbst richtete eine
herrliche Ansprache „an das deutsche Heer und die deutsche Marine" und
wendete sich mit ergreifenden Worten „an das deutsche Volk", während die
Kaiserin in einem Aufruf „an die deutschen Frauen" diese zur Arbeit auf dem
Gebiete der Liebestätigkeit aufrief.
4. Mobilmachung und HufmarTcb. Inzwischen vollzog sich ruhig
und sicher die Mobilmachung des Heeres oder — man darf fast richtiger sagen —
des ganzen Volkes. Denn es wurde nicht nur das Feldheer mit seinen Reserven
aufgestellt, auch die gesamte Landwehr, die 1870 erst spät eingesetzt worden
war, trat sofort unter die Fahnen. Dazu ward in den Grenzkorps gleich am
ersten Tage der Landsturm aufgerufen. Der Aufruf im Innern und die Mobil-
machung dieser Klasse der Wehrpflichtigen, die 1870 zu Hause geblieben war,
folgten rasch nach. Bald gab es in Deutschland kaum noch eine Familie, von der
nicht Angehörige ausrückten. Die sechs Söhne der Kaiserin zogen ebenso ins Feld
wie die Söhne der bescheidensten Mutter aus dem Volke. Es war wirklich ein
Volk in Waffen, das sich ausrüstete und aufstellte. Aber trotz der Millionen
von Streitern, die eingereiht werden mußten, vollzog sich die Mobilmachung mit
einer Selbstverständlichkeit, als handle es sich um ein tägliches Unternehmen.
Pünktlich zur Minute versammelten sich die Wehrpflichtigen an der angewiesenen
Stelle; da war nirgends Unordnung, nirgends Zwang, nirgends Lärm und
Gedränge; in wenigen Stunden war alles eingekleidet und eingereiht.
Mit derselben vollkommenen Ruhe und Sicherheit ward auch der Aufmarsch
durchgeführt. Zug um Zug rollte zu den Grenzen. Alle Bahnstrecken waren
in Anspruch genommen. Aber niemals trat eine Stockung ein, nie eine Ver¬
stopfung der Strecken, nie eine Anhäufung an den Krenzungspuukteu. Kein
Unfall störte die Durchführung der sorgfältig ausgearbeiteten Pläne. — Schon
diese sicher durchgeführte Mobilmachung und der ebenso glänzend gelungene
Aufmarsch waren Siege, Siege der deutschen Organisation und Gewissenhaftigkeit,
die deren in diesem Kriege noch mehrere feiern sollte.
6. Die ersten Aämpfe.
Am 1. August wurde die Mobilmachung angeordnet. Am 16. August
nötigte der Fortgang der Operationen den Kaiser, sein Hauptquartier von
Berlin nach Koblenz zu verlegen, wo er in der Frühe des 17. August eintraf.
Diese 2—3 Wochen waren die Zeit der Mobilmachung und der Versammlung
des Heeres. Aber schon während dieses Vorspiels des gewaltigen Dramas kam
es zu Zusammenstößen mit dem Feinde, hauptsächlich waren es Verteidigungs-
kämpfe zum Schutze der Grenze und zur Sicherung und Verschleierung des
Aufmarsches.. Diese ersten Gefechte waren im ganzen für unsere Waffen
erfolgreich.
1. Grenjhämpfe im OTten. Gegen Rußland wurden alle Einbruchs-
versuche des Feindes glänzend abgeschlagen. Bereits am 5. August brach bei
Soldau ein russischer Angriff völlig zusammen; eine ganze Kavalleriebrigade
wurde hier vernichtet. Ähnliche Kämpfe wiederholten sich am 8., 9. und
10. August im preußisch-russischen Grenzgebiet. Überall wurden die angreifenden
Russen mit großen Verlusten zurückgeschlagen. Den ersten größeren Sieg
Kinghorst, Der Weltkrieg. Z