Full text: Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart (Teil 4)

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werfen lassen, dann aber dem Volke die versprochenen Freiheiten willig 
gewähren. Den unverdienten Haß des Volkes ertrug er schweigend. Die 
Schmach von Olmütz brannte keinem mehr auf der Seele als ihm. Be- 
treffs der deutschen Frage schrieb er in einem Briefe: „Daß Preußen 
bestimmt ist, an die Spitze von Deutschland zu kommen, liegt 
in unserer ganzen Geschichte. Wer aber Deutschland regieren 
will, muß es sich erobern." Und 1851 in einer Denkschrift an das 
Ministerium Über die politische Lage Preußens nach Olmütz: 
„Österreich ist das Hindernis jeder wahren Einigung Deutschlands, weil 
diese Deutschland stark und von Österreich unabhängig machen würde. 
Preußen dagegen ist um seiner selbst willen darauf angewiesen, eine 
Einigung Deutschlands anzustreben." Und dann die prophetischen Worte: 
„Von einer neuen Krisis wird es abhängen, ob Deutschland leben oder 
sterben soll. Leben wird es unter Preußens Leitung, sterben unter 
Österreichs; unter beider Leitung wird es, wie bisher, sortkränkeln". So 
schrieb Prinz Wilhelm, lange bevor Bismarck sich zu derselben 
Ansicht hindurchkämpfte. 
1851—57 war er Militär-Gouverneur von der Rheinprovinz und 
Westfalen; seinen Wohnsitz hatte er in Koblenz, wo seine Gemahlin die 
berühmten Rheinanlagen schuf. Hier besprach er öfter mit dem Bundes- 
gesandten Bismarck, der von Frankfurt herüberkam, die inneren und 
äußeren Verhältnisse Preußens. Beide stimmten in den Zielen überein; 
nur schienen die Mittel und Wege Bismarcks dem säst 20 Jahre älteren 
und bedächtigen Prinzen oft zu gewagt und zu stürmischer Art. 
2. Grundsätze und Ziele seiner Regierung. Am 9. Oktober 1858 
trat Wilhelm als Prinzregent die Regierung von Preußen an. Er wollte 
im Geiste der Verfassung regieren. Daher entließ er den Minister 
v. Manteuffel und berief ein freiheitsfreundliches Ministerium, an dessen 
Spitze Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen stand. Dieses 
Ministerium „der neuen Ära" gewährte der Presse wieder größere Frei- 
heit, verbot den Staatsbeamten jede Beeinflussung der Wahlen und hob 
die Beschränkungen des Vereins- und Versammlungsrechtes auf. Der 
Prinzregent war ein Feind aller religiösen Heuchelei; er suchte die wahre 
Religiosität im ganzen Verhalten des Menschen, nicht im äußeren Ge- 
baren. Doch gab er selbst das Beispiel eines regelmäßigen Kirchenbesuchs. 
So war der Geist der Regierung ein völlig anderer als unter dem Vor- 
gänger, und das Volk atmete freudig auf und wählte eine Mehrheit von 
ministerfreundlichen Abgeordneten. 
Als seine deutsche Aufgabe erkannte er die Einigung Deutsch-
	        
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