Full text: Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart (Teil 4)

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Jenes war zwar schnell, dieses aber nur langsam mobil zu machen, und 
die Brigade konnte doch erst marschieren, wenn sie ganz kampfbereit war. 
3. Bei einer Mobilmachung mußte sofort die ganze Land- 
wehr einberufen werden, um ein genügend großes Kriegsheer zu 
haben. Die Landwehr bestand meist aus verheirateten Männern, die in 
ihrem Erwerbsleben stark geschädigt wurden. Auch kostete dem Staate 
die Unterhaltung ihrer Familien große Summen. — Die gesamte Dienst¬ 
zeit des Einzelnen betrug 19 Jahre: 3 Linie, 2 Reserve, 7 Landwehr 
ersten und 7 zweiten Aufgebots. 
4. Die Ausbildung der Mannschaften war nicht gründlich 
genug. Nach dem Gesetze sollte der Dienst im stehenden Heere drei Jahre 
dauern. Man hatte aber seit Jahren der Ersparnis halber die Mann- 
schaften, besonders die Infanterie, im letzten Jahre beurlaubt, so daß tat- 
sächlich eine zweijährige Dienstzeit in Übung gekommen war. Diese war 
damals, wo man die heutige Angestrengtheit des Dienstes noch nicht 
kannte, nicht ausreichend gewesen. 
IL Des Königs Plan der Neugestaltung. Dieser Plan war des 
Königs „eigenstes Werk"; der Kriegsminister v. Roon war nur der Aus- 
führer und Durchführer des Planes. Seine Hauptpunkte waren folgende: 
1. Das stehende Heer sollte auf 200000 Mann gebracht werden. 
Diese Zahl entsprach etwa der Einwohnerzahl. 
2. Die Zahl der Regimenter sollte verdoppelt werden, so daß 
jede Brigade aus zwei Linienregimentern bestand. Dann war eine schnelle 
Mobilmachung möglich. 
3. Die Dienstzeit der Reserve sollte verlängert, die der Land- 
wehr dagegen verkürzt werden: 3 Jahre Linie, 4 Reserve, 4 Land¬ 
wehr ersten und 5 zweiten Aufgebots; das ergab zugleich eine Verkürzung 
der Gesamtdienstzeit um drei Jahre. Bei einer Mobilmachung brauchte 
dann nur die Reserve, die junge Leute bis zum 27. Lebensjahre umfaßte, 
einberufen zu werden. Die Landwehr folgte erst im Notfalle. 
4. Die Dienstzeit sollte wirklich drei Jahre betragen, um eine 
gründliche, einheitliche Ausbildung zu ermöglichen. 
Um diese Neueinrichtungen durchzuführen, forderte der Kriegsminister 
eine Erhöhung der Heeresgelder um 28 Millionen Mark. 
III. Zwiespalt zwischen Regierung und Abgeordnetenhaus. Über 
diese Neugestaltung des Heeres entstand leider ein Zwiespalt zwischen der 
Regierung und dem Abgeordnetenhause, der sich von Jahr zu Jahr ver- 
schärfte und erst 1866 sein Ende fand. (Er ist unter dem Namen „Ver- 
fassungskonflikt" bekannt.) Mit Punkt 1 bis 3 war das Abgeordueten- 
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