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vom Schlosse eine neue Vorstadt, die Auguststadt, angelegt, welche zehn
Jahre später auch ihr Kirchlein erhielt. Durch die Aufstellung seiner
Bibliothek machte er den Namen Wolfenbüttel in ganz Europa bekannt.
Was jedoch dieser Fürst ebenso wenig erreichen konnte wie seine Vor¬
gänger, das gelang seinem Sohne: Rudolph August (1666 bis 1704)
brachte die widerspenstige Stadt Braunschweig unter seine Botmäßigkeit.
Nun lag der Gedanke nahe, hierhin auch die Residenz zu verlegen.
Doch ehe dies geschah, entwickelten Anton Ulrich (1684 bis 1714)
und sein Sohn August Wilhelm (1714 bis 1731) noch einmal eine
rege Bauthätigkeit, um Wolfenbüttel mit großen Gebäuden zu schmücken.
Zunächst wurde die Trinitatis- oder Garnisonkirche aufgeführt; dann
erfolgte der Bau eines Bibliotheksgebäudes, und zu gleicher Zeit wurde
das alte Schloß durch eine Reihe von Prachtgemächern erweitert und
ihm durch einen Vorbau ein stattliches und einheitliches Äußere gegeben.
Was die Stadt lange befürchtet, trat nun auch ein: Karl I. verlegte
1754 seine Residenz nach Braunschweig, und weil auch viele Familien
dahin übersiedelten, so wurde plötzlich der Wohlstand des Ortes ver¬
nichtet. Der Schlag war um so härter, da die Stadt fast gar keine
innern Hülfsquellen besaß. Namentlich fehlte es den Bewohnern an
Ländereien. Denn da die Stadt so lange Zeit als Burg bestanden
hatte, war, als ihre Entwicklung zur Stadt begann, die Umgebung
derselben bis fast dicht vor ihre Thore längst den Nachbargemeinden
zugeordnet. Wenige Jahre später kamen die Drangsale des sieben¬
jährigen Krieges über die verödete Stadt. In das stille Schloß zog
1770 Lessing ein; die letzten Jahre seines Lebens jedoch wohnte er in
dem einstöckigen Hause, das noch jetzt vor dem neuen Bibliotheksgebäude
erhalten ist. Die kriegerischen Zeiten zu Anfang unsres Jahrhunderts
sind an Wolfenbüttel verhältnismäßig ruhig vorübergegangen, denn
die Stadt wurde für einen offenen Platz erklärt. Mauern und Wälle
wurden abgetragen, und an ihre Stelle traten bald freundliche Anlagen.
In langer Friedenszeit ist die Stadt durch ausgezeichnete Landstraßen
mit den wohlhabenden Ortschaften der Umgegend, durch Eisenbahnen
mit den andern Städten des engern und weitern Vaterlandes ver¬
bunden. Verkehr und Gewerbsthätigkeit haben sich gehoben. Die vor¬
handenen Ländereien werden zur Zucht von Gartenfrüchten benutzt
und einer sehr sorgfältigen Bearbeitung unterzogen, so daß man
Wolfenbüttel eine Gärtnerstadt nennen kann. Doch erfreuen sich auch