Full text: Die Alte Geschichte (Teil 1)

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verehrten die Ägypter die Sonne als den Sonnengott Osiris, ihren 
Nationalgott. Bon ihm allein haben die Priester sinnreiche Mythen ge- 
bildet, die den Kreislauf des Jahres mit den ihn begleitenden Natur- 
erscheinungen zum sinnbildlichen Inhalt hatten: Osiris, im Verein mit 
seiner Gemahlin Isis der Wohlthäter und Beglücker des Landes, wird 
von seinem neidischen Bruder Seth (Typhon) und dessen 72 Genossen 
ermordet und sein Leichnam in einem Kasten in den Fluß gesenkt. Die 
Wellen tragen ihn an die Küste des Meeres, wo über dem gelandeten 
Sarge eine herrliche Tamariske aufschießt. Trauernd und wehklagend 
sucht Isis den verlornen Gatten, begleitet von des Ostris Sohn, dem 
schakalköpfigen Anübis. Als sie den Leichnam endlich gefunden hat, läßt sie 
ihn auf der heiligen Strominsel Philä beisetzen. Aus dem Totenreiche, 
wo Ostris nunmehr als Herrscher weilt, erscheint er dem Horns, ihn zur 
Rache ermahnend. Der herrliche Sohn sammelt seine Getreuen um sich, 
überwindet Typhon und tötet ihn. Darauf besteigt Horns den Thron seines 
Vaters und herrscht über Ägypten. Typhon und seine Genossen sind die 
72 Tage der Gluthitze und Dürre. Isis, das ägyptische Land, wehklagt 
und schreit nach dem Segen des Wassers. Osiris, die durch den Nil be- 
fruchtende Naturkraft, ist während der Herrschaft des feindlichen Bruders 
nach Norden zu den Phöniziern weggezogen, oder er schlummert au der 
Felsenpforte bei den Wasserfällen von Philä und Elephantme. Aber sein 
Sohn Horns, der frische Lenz, verjagt in jugendlicher Lebenskraft den 
feindseligen Typhon und giebt dem Lande sein Recht und seine Fruchtbarkeit 
zurück. Horus ist die sichtbare Sonne in ihrer wohlthätigen Wirkung. 
Er ist das jugendliche Abbild des Ra und verleiht den Pharaonen Sieg 
und Herrschaft, ja der König erscheint auf den Denkmalen häufig als 
der auf Erden wandelnde Horus. Ihm zur Seite steht die Hat hör, 
eine mit der Isis gleichwertige Göttin der Erde und Fruchtbarkeit. Der 
Isis gleich galt in Unterägypten die Bast und in Memphis die Pacht. 
Diesen wohlthätigen Mächten steht Typhon, der Inbegriff aller Verderb- 
lichen Naturkräfte und todbringenden Erscheinungen, feindlich gegenüber. 
Er ist die versengende Sonnenglut, die aus den libyschen Sandwüsten 
das gesegnete Nilthal durchglüht und alles Lebendige verdorrt; er ist der 
Urheber der Schlangen und giftigen Insekten, der Seuchen und aller bösen 
Ereignisse. 
Die Verehrung der Götter und ihrer Symbole durch Opfer 
und Reinigungen in heiligen Gebräuchen und Gebetsformeln, in Festen und 
religiösen Handlungen war das vornehmste Geschäft der Ägypter. Dabei 
bedienten sie sich einer zahlreichen Priesterschaft, die zu großer Macht
	        
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