Full text: Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart (Teil 3)

- 183 - 
2. Quelle: Denkschrift des deutschen Weißbuches vom 4. August 19141). 
Nach Bekanntwerden der russischen Gesamtmobilisation in Berlin erhielt am 
Nachmittag des 31. Juli der Kaiserliche Botschafter in Petersburg den Befehl, 
der russischen Regierung zu eröffnen, Deutschland habe als Gegenmaßregel gegen 
die allgemeine Mobilisierung der russischen Armee und Flotte den Kriegszustand 
verkündet, dem die Mobilisation folgen müsse, wenn Rußland nicht binnen 
12 Stunden seine militärischen Maßnahmen gegen Deutschland und Osterreich- 
Ungarn einstelle und Deutschland davon in Kenntnis setze 
Der Kaiserliche Botschafter in Petersburg hat die ihm aufgetragene Mitteilung 
an Herrn Safonow^) am 31. Juli um 12 Uhr nachts gemacht. 
Eine Antwort der russischen Regierung hierauf hat uns nie erreicht. 
Zwei Stunden nach Ablauf der in dieser Miteilung gestellten Frist hat der 
Zar an Seine Majestät den Kaiser telegraphiert: 
„Ich habe Dein Telegramm erhalten. Ich verstehe, daß Du gezwungen bist, 
mobil zu machen; aber ich möchte von Dir dieselbe Garantie haben, die ich Dir 
gegeben habe, nämlich, daß diese Maßnahmen nicht Krieg bedeuten und daß wir 
fortfahren werden, zu verhandeln, zum Heile unserer beiden Länder und des all- 
gemeinen Friedens, der unseren Herzen so teuer ist. Unserer langbewährten 
Freundschaft muß es mit Gottes Hilfe gelingen, Blutvergießen zu verhindern. 
Dringend erwarte ich voll Pertrauen Deine Antwort." 
Hierauf hat Seine Majestät der Kaiser geantwortet: 
„Ich danke Dir für Dein Telegramm; ich habe Deiner Regierung gestern den 
Weg angegeben, durch den allein noch der Krieg vermieden werden kann. Ob¬ 
wohl ich um eine Antwort für heute mittag ersucht hatte, hat mich bis jetzt noch 
kein Telegramm meines Botschafters mit einer Antwort Deiner Regierung er¬ 
reicht. Ich bin daher gezwungen worden, meine Armee zu mobilisieren. Eine 
sofortige klare und unmißverständliche Antwort Deiner Regierung ist der einzige 
Weg, um endloses Elend zu vermeiden. Bis ich diese Antwort erhalten habe, bin 
ich zu meiner Betrübnis nicht in der Lage, auf den Gegenstand Deines Telegramms 
einzugehen. Ich muß auf das ernsteste von Dir verlangen, daß Du unverzüglich 
Deinen Truppen den Befehl gibst, unter keinen Umständen auch nur die leiseste 
Verletzung unserer Grenzen zu begehen." 
Da die Rußland gestellte Frist verstrichen war, ohne daß eine Antwort auf 
unsere Anfrage eingegangen wäre, hat Seme Majestät der Kaiser und König am 
1. August um 5 Uhr nachmittags die Mobilmachung des gesamten deutschen 
Heeres und der Kaiserlichen Marine besohlen. Der Kaiserliche Botschafter in 
Petersburg hatte inzwischen den Auftrag erhalten, falls die russische Regierung 
innerhalb der ihr gestellten Frist keine befriedigende Antwort erteilen würde, ihr 
zu erklären, daß wir nach Ablehnung unserer Forderung uns als im Kriegszustand 
befindlich tietrachten3). Ehe jedoch eine Meldung über die Ausführung dieses Auf¬ 
trages einlief, überschritten russische Truppen, und zwar schon am Nachmittag des 
1. August, also desselben Nachmittages, an dem das eben erwähnte Telegramm 
des Zaren abgesandt war, unsere Grenze und rückten auf deutschem Gebiet vor. 
Hiermit hat Rußland den Krieg gegen uns begonnen. 
2) Am 4. August 1914 ging dem Reichstag ein Weißbuch (so genannt nach der Farbe des 
Umschlages) zu, das eine vorläufige Denkschrift, sowie Aktenstücke zum Ausbruche des Krieges 
enthielt. — 2) Russischer Minister der Auswärtigen Angelegenheiten. — S) Vgl. 3. Quelle.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.