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Der Durchbruch bei Gorlice.
2. Mai 1915.
Quelle: Amtliche Darstellung aus dem Großen Hauptquartier
vom 6. Mai 1915.
Fundort: Kriegsdepeschen. Bd. 2. S. 586 und 587.
Völlig überraschend für den Feind hatten sich Ende April größere deutsche
Truppentransporte nach Westgalizien vollzogen. Diese Truppen, den Befehlen
des Generals von Mackensen unterstellt, hatten die russische Front zwischen Kar-
pathenkamm und dem mittleren Dunajec im Verein mit den benachbarten Armeen
unseres österreichisch-ungarischen Verbündeten zu durchbrechen. Das Problem war
ein neues, die Aufgabe keine leichte. Der Himmel bescherte unseren Truppen
wundervollen Sonnenschein und trockene Wege. So konnten die Flieger und die
Artillerie zu voller Tätigkeit gelangen und die Schwierigkeiten des Geländes, das
hier den Charakter der Vorberge der deutschen Alpen oder den des Hörselberges
in Thüringen trägt, überwunden werden. Unter den größten Mühsalen mußte an
verschiedenen Stellen die Munition aus Tragtieren herangeschafft, die Kolonnen
und Batterien über Knüppeldämme vorwärts gebracht werden. Alle für den Durch-
bruch nötigen Erkundungen und Vorbereitungen vollzogen sich reibungslos in aller
Stille. Am 1. Mai nachmittags begann die Artillerie sich gegen die russischen
Stellungen einzuschießen. Diese waren seit fünf Monaten nach allen Regeln der
Kunst ausgebaut. Stockwerlartig lagen sie auf den steilen Bergkuppen und deren
Hängen, mit Hindernissen wohlversehen, übereinander. An einzelnen den Russen
besonders wichtigen Geländepunkten bestanden bis zu sieben Schützengräbenreihen
hintereinander. Die Anlagen waren sehr geschickt angelegt und vermochten sich
. gegenseitig zu flankieren. Die Infanterie der verbündeten Truppen hatte sich in
den Nächten, die dem Sturm vorangingen, näher an den Feind herangeschoben
und die Sturmstellungen ausgebaut. In der Nacht vom 1. zum 2. Mai feuerte
die Artillerie in langsamem Tempo gegen die feindlichen Anlagen; eingelegte
Feuerpausen dienten den Pionieren zum Zerschneiden der Drahthindernisse. Am
2. Mai morgens 6 Uhr setzte auf der ausgedehnten, viele Kilometer langen
Durchbruchsfront ein überwältigendes Artilleriefeuer von Feldkanonen bis hinauf
zu den schwersten Kalibern ein, das vier Stunden lang ununterbrochen fortgesetzt wurde.
Um 10 Uhr morgens schwiegen plötzlich die Hunderte von Feuerschlünden,
und im gleichen Augenblick stürzten sich die Schwarmlinien und Sturmkolonnen
der Angreifer auf die feindlichen Stellungen. Der Feind war durch schweres Ar-
tillerieseuer derart erschüttert, daß an manchen Stellen sein Widerstand nur ein
geringer war. In kopfloser Flucht verließ er, als die Infanterie der Verbündeten
dicht vor seine Gräben gelangte, seine Befestigungen, Gewehre und Kochgeschirre
fortwerfend, ungeheure Mengen an Jnfanteriemunition und zahlreiche Tote in den
Gräben zurücklassend. An einer Stelle zerschnitt er selbst noch die Drahthinder-
nisse, um sich den Deutschen zu ergeben. Vielfach leistete er in seinen nahe¬
gelegenen zweiten und dritten Linien keinen nennenswerten Widerstand mehr;
dagegen wehrte sich der Feind an anderen Stellen der Durchbruchsfront ver-
zweifelt, indem er erbitterten Widerstand versuchte. Nachbarschaft haltend mit
österreichisch-ungarischen Truppen griffen bayerische Regimenter den 250 Meter
über ihren Sturmstellungen gelegenen Zemsczykoberg, eine wahre Festung, an.
SB. u. O, Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch. III. 14