Full text: Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815 (Teil 2)

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Neuerungen, die die Arbeit vermehren, womit die besseren Mitglieder überladen 
sind und der die geringhaltigeren sich entziehen. 
Ist der Eigentümers von der Teilnahme an der Provinzialverwaltung aus- 
geschlossen, so bleibt das Band, das ihn an sein Vaterland bindet, unbenutzt; die 
Kenntnisse, welche ihm seine Verhältnisse zu seinen Gütern und Mitbürgern ver- 
schaffen, unfruchtbar; seine Wünsche um Verbesserungen, die er einsieht, um Ab¬ 
stellung von Mißbräuchen, die ihn drücken, verhallen oder werden unterdrückt, und 
seine Muße und Kräfte, die er dem Staate unter gewissen Bestimmungen gern 
widmen würde, werden auf Genüsse aller Art verwandt oder in Müßiggang auf- 
gerieben. Es ist wirklich ungereimt zu sehen, daß der Besitzer eines Grund- 
eigentums oder anderen Eigentums von mehreren Tonnen Goldes eines Ein- 
slusses auf die Angelegenheiten seiner Provinz beraubt ist 
Man tötet also, indem man den Eigentümer von aller Teilnahme an der 
Verwaltung entfernt, den Gemeingeist und den Geist der Monarchie, man nährt 
den Unwillen gegen die Regierung, man vervielfältigt die Beamtenstellen und 
verteuert die Kosten der Verwaltung, weil man nun die Gehälter den Bedürf- 
nifsen und dem Stand der Beamten, die allein von der Besoldung leben wollen, 
angemessen bestimmen muß 
Auch meine Diensterfahrung überzeugt mich innig und lebhaft von der Vortreff- 
lichkeit zweckmäßig gebildeter Stände, und ich sehe sie als ein kräftiges Mittel an, 
die Regierung durch die Kenntnisse und das Ansehen aller gebildeten 
Klassen zu verstärken, sie alle durch Überzeugung, Teilnahme und Mit- 
Wirkung'bei den Nationalangelegenheiten an den Staat zu knüpfen, 
den Kräften der Nation eine freie Tätigkeit und eine Richtung auf das 
Gemeinnützige zu geben, sie vom müßigen, sinnlichen Genuß oder von leeren 
Hirngespinsten der Metaphysik oder von Verfolgung bloß eigennütziger Zwecke ab- 
zulenken und ein gut gebildetes Organ der öffentlichen Meinung zu erhalten, die 
man jetzt aus Äußerungen einzelner Männer oder einzelner Gesellschaften vergeblich 
zu erraten bemüht ist 
Ersparung an Verwaltungskosten ist aber der weniger bedeutende Gewinn, 
der erhalten wird durch die vorgeschlagene Teilnahme der Eigentümer an der 
Provinzialverwaltung, sondern weit wichtiger ist die Belebung des Gemein- 
geistes und Bürgersinns, die Benutzung der schlafenden oder falsch ge- 
leiteten Kräfte und der zerstreut liegenden Kenntnisse, der Einklang 
zwischen dem Geist der Nation, ihren Absichten und Bedürfnissen und 
denen der Staatsbehörden, die Wiederbelebung der Gefühle für Vater- 
land, Selbständigkeit und Nationalehre. 
Der Formenkram und Dienstmechanismus in den Kollegien wird durch Auf- 
nähme von Menschen aus dem Gewirr des praktischen Lebens zertrümmert, und 
an seine Stelle tritt ein lebendiger, fest strebender, schaffender Geist und ein aus 
der Fülle der Natur genommener Reichtum von Ansichten und Gefühlen. 
Es wird aber so wenig an einer hinlänglichen Zahl geschäftsfähiger Männer 
in der Klasse der Eigentümer fehlen, als daß die Regierung Ursache hat, durch 
ihre Zuziehung für die Erhaltung der inneren Ruhe besorgt zu sein. Die Anzahl 
*) Stein denkt hier nicht bloß an Grundbesitzer, sondern auch an Fabrikanten, Kauf- 
leute, Rentner, ja er will, daß in seinen Ständen auch Vertreter „aller gebildeten Klassen" 
Eitzen. M. Lehmann, Freiherr vom Stein, Bd. 2, S. 71. 
W, u, O> Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch IL 12
	        
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