Full text: Deutsche Geschichte bis 1648 (Teil 1)

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oft fo nahe an uns gemacht, daß wir fie haben von uns jagen müssen, und daS 
hat gedauert von 9 Uhr an bis ungefähr 6 Uhr abends. Es lag nämlich in ihrer 
Abficht, wir sollten mit ihnen fcharmützeln, bis die anderen ankämen. Wir aber 
haben immerfort unferen Abzug fortgefetzt, was die Gäule haben laufen können.. 
Nachdem Herzog Moritz unser Volk genügend besichtigt hatte, da wir denn nicht 
mehr als zehn Fähnlein Knechte, die nicht 3000 Mann stark gewesen, dazu sechs 
Fahnen Reiter, die in Wahrheit zudem an Pferden nicht 1000 stark gewesen, 
waren, hat er angehoben: „es erbarmt mich der guten Leute." Denn er sah, 
es war geschlagenes Volk, und er hat beim Kaiser angefragt, ob er nicht zu 
feinem -Vetter schicken sollte. Wenn er sich in des Kaisers Gnade samt dem Kriegs- 
Volk ergeben wollte, so wollte er als Vermittler dazu tun, daß er zu Gnaden 
sollte angenommen werden. Das hatten ihm seine Räte zum Teil getreulich ge¬ 
raten. Auf solches hat er des Landgrafen Kanzler, dem Lerfener, einen Trom- 
peter zugegeben und sie zu meinem gnädigen Herrn geschickt. Mein gnädiger 
Herr hat aber eine kurze Antwort gegeben: „es bedürfe dessen nicht!" Darauf 
hat der Kanzler geantwortet, Seine Gnaden sollten sich wohl bedenken, denn es 
zögen noch 8000 wohlgerüstete Pferde, ein jegliches nach feiner Nation, in Eile 
nach in der Abficht, ihn mit Übermacht anzugreifen; zu dem 67 Fähnlein deutsches 
und welsches Fußvolk. Aber mein gnädiger Herr ist bei der vorigen Antwort ge¬ 
blieben. 
So sind sie auch so nahe an uns gekommen, daß der Lersener nicht wieder 
von uns wollte. Wie wir aber an das Holz gekommen sind und gehofft haben, es 
hat nun keine Not mehr — es war ja auch fast über 6 Uhr abends — da find 
die Befehlshaber in Eile ratfchlägig geworden, daß wir den Feinden mit den 
Reitern den Kampf bieten wollten, bis das Geschütz und die Knechte durchs Holz 
wären. Die Schützen wollten wir bei uns behalten und im Holz hinter den 
Reitern ziehen lassen, damit sie die Feinde von uns abhalten konnten. In dem 
Augenblick, in dem sich die Reiter wenden, rücken die spanischen Husaren mit 
6 Fahnen gegen uns; so setzen gleich 2 Geschwader unbefohlen zu ihnen. Darauf 
drücken 2 Geschwader nach und wollten die anderen 2 Geschwader, als die Haupt- 
fahne und Hosfahne, auch noch nachdrücken. Die behielt ich aber mit großer 
Mühe. Wie sich aber unsere Reiter wieder wenden sollten, so kommt vor den auf- 
gelösten Truppen eine Flucht unter die ersten zwei Fahnen, danach die anderen 
zwei, und dringen also hart auf die Hauptfahne und in die Knechte, daß fie alle 
Ordnung zertrennen. Da war kein Wenden und half keine Ermahnung, kein 
Schlagen, wiewohl fie sahen, daß der fromme Kurfürst nicht hinweg konnte, da 
die Feinde so hart an ihm waren. Zuletzt bin ich zu meinem gnädigen Herrn 
gerückt und habe ihn durch seinen Kämmerer darauf ansprechen lassen: „wenn es 
Seiner Gnaden gefällig wäre, fo wollte ich mit den Reitern auf die linke Seite 
rennen, damit Seine Gnaden auf der anderen Seite von uns kommen möchte." 
Das ließ er sich gefallen. So bin ich von ihm gekommen und habe ihn seitdem 
nicht gesehen. Er ist aber auf der linken Backe unter dem Auge bis an den 
Mund von einem Hufaren verwundet und von Spaniern gefangen worden. Wir 
änderen, die überblieben und davon kamen, find gegen Wittenberg in die Festung 
gekommen.
	        
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