Object: Lesebuch für die Mittel- und Oberstufe (Teil 2, [Schülerband])

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47.* Eprüchr. 
lohnung bringen könnte. „Guter Freund," sprach er hieraus, „es 
waren eigentlich achthundert Thaler in dem Tuche eingenäht. Ich 
finde aber nur fiebenhundcrt Thaler darin. Ihr werdet also wohl 
eine Naht aufgetrennt und Eure hundert Thaler Belohnung schon 
herausgenommen haben. Da habt Ihr wohl daran gethan. Ich 
danke Euch." Das war nicht schön. Aber wir find auch noch nicht 
am Ende. Ehrlich währt am längsten, und Undank schlägt seinen 
eigenen Herrn. Dem ehrlichen Finder war es weniger um die hundert 
Thaler als um seine unbescholtene Rechtschaffenheit zu thun. Er ver- 
stcherte daher, daß er das Päcklein so gefunden habe, wie er es bringe, 
und es so bringe, wie er es gefunden habe. Am Ende kamen ste vor 
den Richter. Beide bestanden auch hier noch auf ihrer Behauptung. 
Der eine gab an, daß achthundert Thaler eingenäht gewesen seien. 
Der andere blieb dabei, daß er von dem Gefundenen nichts genommen 
und das Päcklein nicht verfehlt habe. Da war guter Rat teuer. Aber 
der kluge Richter, der die Ehrlichkeit des einen und die schlechte Ge¬ 
sinnung des andern schon zu kennen schien, griff die Sache so an: 
Er ließ stch von beiden über das, was ste aussagten, eine feste und 
feierliche Versicherung geben und that hierauf folgenden Ausspruch: 
„Demnach, wenn der eine von Euch achthundert Thaler verloren, der 
andere aber ein Päcklein mit nur siebenhundert Thalern gefunden hat, 
so kann auch das Geld des letztem nicht das nämliche sein, auf welches 
der erstere ein Recht hat. Du, ehrlicher Freund, nimmst also das Geld, 
welches du gefunden hast, wieder zurück und behältst es in guter Ver¬ 
wahrung, bis der kommt, welcher nur siebenhundert Thaler verloren 
hat. Und dir da weiß ich keinen Rat, als du geduldest dich, bis 
derjenige sich meldet, der deine achthundert Thaler findet." So sprach 
der Richter, und dabei blieb es. — qm. 
47.* 
1. Wer einem Fremdling nicht mag 
freundlich sich erweisen, 
der war wohl selber nie in fremdem 
Land auf Reisen. 
2. Wenn du Gott wolltest Dank 
für jede Lust erst sagen, 
du fändest gar nicht Zeit, noch über 
Weh zu klagen. 
Sprüche. 
3. Nicht der ist auf der Welt 
verwaist, 
deffen Vater und Mutter gestorben, 
sondem der für Herz und Geist 
keine Lieb' und kein Wiffen erworben. 
4. Freigebig ist nicht, wer nur giebt, 
wo ihm kein Mangel droht; 
freigebig ist, wer Hunger hat 
und teilt mit dir sein Brot. 
Wlck-rt.
	        
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