Full text: Das Mittelalter und die neue Zeit bis 1648 (Teil 2)

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Weltsucht wird immer unersättlicher, so daß jetzt die römische Kurie nur 
ein großer Markt zu sein scheint, wo, je mehr einer herzubringt, er auch 
um so mehr Ware haben wird, und wo nicht bloß wie von Judas einmal 
um 30 Silberlinge sondern täglich hundertmal Christus und seine Kirche 
verkauft wird, und nicht bloß für 30 sondern für 1000 Silberlinge. Und 
zu alledem schweigen die Prälaten wie stumme Hunde. Dort am päpst- 
lichen Hofe wird alltäglich von Schlössern, Ländereien, Städten, Waffen, 
Gewinnen verhandelt, aber selten von Keuschheit, Barmherzigkeit, Gerechtig- 
keit, Glauben, heiligen Sitten, so daß der Hof, der sonst ein geistlicher zu 
sein Pflegte, ein weltlicher, teuflischer, tyrannischer geworden ist und schlechter 
in Sitten als ein weltlicher Hof." Solche Klagen über die Verrohung 
des Klerus, die fortwährenden Eingriffe der Kurie in das kirchliche Leben 
und nicht zum wenigsten die unerhörten Gelderpressungen der Kurie durch 
Annaten, Palliengelder, Ablässe n. s. w. ließen im 14. und 15. Jahr¬ 
hundert das Verlangen nach einer Reformation der Kirche an Haupt 
und Gliedern laut werden, und es bildeten sich neue Religions- 
genossenschasten und Sekten, die alle die entartete Kirche auf das apostolische 
Vorbild zurückzuführen und nach der heiligen Schrift zu reinigen und zu 
verbeffern trachteten. So traten die Minoriten oder Minderbrüder 
gegen den Papst auf und wiesen im Gegensatz zu den päpstlichen An- 
sprächen auf weltliche Macht auf die Armut Christi hin. Ebenfalls eiferte 
gegen die verdorbenen Sitten und den weltlichen Besitz der englische Geist- 
Uche Johann Wikles (1324—1388), zuerst Professor an der Universität 
Oxford, dann Pfarrer in Lnttersworth. Indem er die heilige Schrift als 
einzigen Urgrund der christlichen Wahrheit anerkannte, verlangte er noch 
die Wiederherstellung der apostolischen Kirche, verwarf die Verehrung der 
Heiligen, und eiferte gegen Fegefeuer, Seelenmessen, Ablaß, Ohrenbeichte, 
Transsubstantiation. Wikless Schriften fanden begeisterte Aufnahme an 
der Prager Universität, und unter seinen Anhängern ragte hier Johannes 
Hus hervor. (S. 131). 
Das Konzil zu Konstanz 1414—1418. Wie Kaiser Sigismund 
vor seiner Wahl gelobt hatte, war er bald nach seinem Regierungsantritt 
eifrig bemüht, das Ärgernis in der Kirche zu beseitigen. Er nötigte den 
Papst Johann XXIII. zur Berufung eines allgemeinen Konzils, das aus- 
gangs des Jahres 1414 zu Konstanz am Bodensee mit großer Pracht 
eröffnet wurde. Eine größere Versammlung war noch nie gehalten worden. 
Aus Italien, Frankreich, England, Deutschland, Schweden, Dänemark, 
Polen, Ungarn und Konstantinopel waren Teilnehmer geistlichen und welt- 
lichen Standes herbeigeströmt. Außer dem Kaiser und dem Papste
	        
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