— 135 —
Weltsucht wird immer unersättlicher, so daß jetzt die römische Kurie nur
ein großer Markt zu sein scheint, wo, je mehr einer herzubringt, er auch
um so mehr Ware haben wird, und wo nicht bloß wie von Judas einmal
um 30 Silberlinge sondern täglich hundertmal Christus und seine Kirche
verkauft wird, und nicht bloß für 30 sondern für 1000 Silberlinge. Und
zu alledem schweigen die Prälaten wie stumme Hunde. Dort am päpst-
lichen Hofe wird alltäglich von Schlössern, Ländereien, Städten, Waffen,
Gewinnen verhandelt, aber selten von Keuschheit, Barmherzigkeit, Gerechtig-
keit, Glauben, heiligen Sitten, so daß der Hof, der sonst ein geistlicher zu
sein Pflegte, ein weltlicher, teuflischer, tyrannischer geworden ist und schlechter
in Sitten als ein weltlicher Hof." Solche Klagen über die Verrohung
des Klerus, die fortwährenden Eingriffe der Kurie in das kirchliche Leben
und nicht zum wenigsten die unerhörten Gelderpressungen der Kurie durch
Annaten, Palliengelder, Ablässe n. s. w. ließen im 14. und 15. Jahr¬
hundert das Verlangen nach einer Reformation der Kirche an Haupt
und Gliedern laut werden, und es bildeten sich neue Religions-
genossenschasten und Sekten, die alle die entartete Kirche auf das apostolische
Vorbild zurückzuführen und nach der heiligen Schrift zu reinigen und zu
verbeffern trachteten. So traten die Minoriten oder Minderbrüder
gegen den Papst auf und wiesen im Gegensatz zu den päpstlichen An-
sprächen auf weltliche Macht auf die Armut Christi hin. Ebenfalls eiferte
gegen die verdorbenen Sitten und den weltlichen Besitz der englische Geist-
Uche Johann Wikles (1324—1388), zuerst Professor an der Universität
Oxford, dann Pfarrer in Lnttersworth. Indem er die heilige Schrift als
einzigen Urgrund der christlichen Wahrheit anerkannte, verlangte er noch
die Wiederherstellung der apostolischen Kirche, verwarf die Verehrung der
Heiligen, und eiferte gegen Fegefeuer, Seelenmessen, Ablaß, Ohrenbeichte,
Transsubstantiation. Wikless Schriften fanden begeisterte Aufnahme an
der Prager Universität, und unter seinen Anhängern ragte hier Johannes
Hus hervor. (S. 131).
Das Konzil zu Konstanz 1414—1418. Wie Kaiser Sigismund
vor seiner Wahl gelobt hatte, war er bald nach seinem Regierungsantritt
eifrig bemüht, das Ärgernis in der Kirche zu beseitigen. Er nötigte den
Papst Johann XXIII. zur Berufung eines allgemeinen Konzils, das aus-
gangs des Jahres 1414 zu Konstanz am Bodensee mit großer Pracht
eröffnet wurde. Eine größere Versammlung war noch nie gehalten worden.
Aus Italien, Frankreich, England, Deutschland, Schweden, Dänemark,
Polen, Ungarn und Konstantinopel waren Teilnehmer geistlichen und welt-
lichen Standes herbeigeströmt. Außer dem Kaiser und dem Papste