Stiftsschulen, wie die zu Paderborn, Hildesheim, Bremen, Lüttich,
Utrecht u. a., lebendige Pflegestätten der Bildung in finstern und sturm¬
vollen Zeiten. Die älteren Klosterschulen nahmen unter der neuen An-
regung einen erfreulichen Aufschwung. Vor allen gediehen St. Gallen
und Reichenau zu ihrer schönsten Blüte. Hier wie auch anderswo wurde
die alte klassische Kultursprache, das Latein, hie und da auch wohl etwas
Griechisch eifrig betrieben. Vergil war der gefeiertste Schriftsteller des
Zeitalters. Lateinisch war die Sprache nicht bloß der kirchlichen, sondern
überhaupt der vornehmen Kreise. Der Mönch Eckehard IV. von St.
Gallen las mit der schönen Schwabenherzogin Hadwig, die die Tage ihres
Witwenstandes auf der Feste Hohentwiel verbrachte, den Vergil. Ein
anderer St. Galler Klosterbruder, Notker Läbeo, machte von den Psalmen
und dem Buche Hiob deutsche Übersetzungen, die sehr geschätzt waren. In
Fulda, Hersseld und Korvey fuhren die Mönche fort, die Wissenschaften
mit Eifer und Liebe zu pflegen. In Korvey schrieb Widukind seine
sächsische Geschichte in lateinischer Sprache, wie überhaupt die Geschicht-
schreiber damaliger Zeit sich nur der lateinischen Sprache bedienten und
die alten Schriftsteller in Stil und Manier nachzuahmen suchten. In den
Nonnenklöstern zu Quedlinburg und Gandersheim, wo Ottos Tochter
Mathilde und ihre Verwandte Gerberga Äbtissinnen waren, lasen die Nonnen
neben den Heiligenleben auch den Vergil; die Nonne Roswitha in Ganders-
heim pries in lateinischen Reimversen die Thaten des großen Otto und ließ
ihre geistlichen Komödien vor einem erlauchten Damenpublikum aufführen.
Der Hof der Ottouen wurde der Sammelplatz aller hervor-
ragenden Geister des Abendlandes; mochte das wandernde Fürstenlager
in Magdeburg und Quedlinburg oder in Frankfurt und Regensburg oder
jenseits der Alpen in Pavia und Rom verweilen, überall herrschte ein ge-
hobenes geistiges Leben, das zunächst die oberen Schichten der Gesellschaft
berührte, die Glieder der kaiserlichen Familie, die höhere Geistlichkeit, die
fürstlichen und adligen Geschlechter, allmählich aber auch in weitere Kreise
drang. Und wenn auch gewöhnlich die lateinische Sprache als Mittel des
Gedankenausdruckes diente, und nur selten deutsche Laute in deutsche Schrift
gekleidet wurden, so drückten doch die Deutschen auch dem, was sie als
fremdes Gut empfingen, das Gepräge ihres eignen Geistes auf. Auch die
Dichter am Hofe und in den Klöstern bedienten sich ausschließlich der
lateinischen Sprache, selbst wenn sie einheimische Sagen, die Tiersage und
die Heldensage, bearbeiteten. Hat doch auch der St. Galler Mönch Ecke-
hard I. sein herrliches Waltharilied in lateinische Verse und damit in
hoffähige Form gebracht.