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den zehn Friedensjahren zwischen dem zweiten und dritten schlesischen Kriege,
vor allem aber nach Beendigung des letztern, des siebenjährigen Krieges.
Durch ihn hatte Preußen furchtbar gelitten. Eine halbe Million Menschen,
das will sagen, fast den achten Teil der Einwohner des Staates hatte der Krieg
verschlungen. Furchtbar waren die Verwüstungen, die Russen, Österreicher
und Sachsen angerichtet hatten. Ganze Städte waren abgebrannt, der
Bauer war von seiner Scholle vertrieben, der Adel verarmt, die kleinen
Leute ruiniert, ein Drittel der Bevölkerung Berlins lebte von Armen-
Unterstützung, und das Vieh war in der Neumark wie ausgestorben. Handel
und Wandel lag danieder. Da zeigte Friedrich, daß er nicht allein ein
großer Schlachtensieger, sondern auch ein weiser Gesetzgeber und Staats-
ordner, ein wohlwollender und sorgsamer Landesvater war. Zu--
nächst galt es, die Wunden des Krieges zu heilen, die sich in den Oder-
gegenden, einem Teile der Marken und Pommern besonders bemerkbar
machten. Er verteilte 40000 Scheffel Getreide aus seinen Magazinen zur
Aussaat und schenkte Tausende von Militärpferden den Bauern zur Land-
bestellung. Außerdem erließ er den verarmten Bewohnern dieser Gegenden
die Steuern zum großen Teile und baute auf Staatskosten zerstörte Ort-
schaften wieder auf. Im Verlauf weniger Jahre entstanden in Schlesien,
Pommern und der Neumark über 15000 neue Häuser. Sehr reichliche
Mittel spendete er, wenn es galt, abgebrannte Ortschaften wieder auf-
zubauen. Als ihm einmal die Greiffenberger dafür dankten, antwortete
er: „Ihr habt nicht nötig, euch bei mir dafür zu bedanken, es ist meine
Schuldigkeit, meinen verunglückten Unterthanen aufzuhelfen; dafür bin ich da."
5. Friedrich der Große sichert die erworbene Großmachtstellung Preußens.
a) Friedrichs Anteil an der europäischen Politik während seiner letzten
Regierungszeit»
Nach der Beendigung des siebenjährigen Krieges stand Preußen in Europa
völlig isoliert; alle seine Bundesgenossen hatten es verlassen, und Österreich
und Frankreich verfolgten mit Eifersucht seine weitere EntWickelung. Da
näherte sich Friedrich Rußland und schloß mit der Zarin Katharina II.
im Jahre 1764 einen geheimen Vertrag, der ein Zusammenhalten in der
äußeren Politik bezweckte. Dies zeigte sich bald in ihrem Verhalten Polen
gegenüber.
Die erste Teilung Polens 1772. In Rußland strebte Katharina II.
(1762—96) in Anlehnung an die Ideen Peters des Großen danach, Rußland
auf Kosten seiner Nachbarn zu vergrößern und zur leitenden Macht zu
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