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1733) seine Maitresse, die Frau von Grävenitz, die nur durch ihre
Laster sich auszeichnete. Sie verkaufte die hohen Beamtenstellen an un-
würdige Leute und vertrieb die verdienten Männer. Die Jagdlust und der
große Wildstand brachten dem ganzen Lande bedeutenden Schaden; rück-
sichtslos wurden die Felder des Landmanns verwüstet. Tausende der
Unterthanen entzogen sich durch Auswanderung nach Amerika der ein-
heimischen Not. Unter seinem Nachfolger Karl Alexander wurden die
Bedrückungen von dem Hofjuden Süß Oppenheimer auf die unverschämteste
Art fortgesetzt. Die Regierung Karl Eugens (1744—93) steigerte das
Elend des Landes auf eine entsetzliche Höhe. Durch Steuer, Ämterverkauf
und verderbliche Finanzkünste wurde das Volk zur Verzweiflung gebracht.
Erst später schränkte der Herzog seinen Aufwand ein und verwandte das
Geld für nützliche Anstalten. Er gründete auch die von Schiller besuchte
Karlsschule. — Die geistlichen Fürsten suchten es an Prunk, Verschwen-
dung und Leichtfertigkeit den weltlichen Höfen gleich zu thuu.
In dieser schweren Zeit der fürstlichen Willkür hatte der Bürger-
und Bauernstand nur zu zahlen und zu dulden, zu größerem Wohlstande
konnte er nicht gelangen. Das Vaterlandsgefühl, die Teilnahme an dem
Gesamtwohl des Reiches erlosch, ja selbst das Interesse am Gemeinwesen
erlahmte, da in den meisten Städten an die Stelle der Magistrate Beamte
des Landesherren getreten waren. Wo, wie in den freien Reichsstädten
die Magistrate geblieben waren, verfolgten deren Mitglieder ihre eigen-
nützigen Zwecke zum Schaden der Bürger, die wenig oder gar nicht um
ihre Meinung befragt wurden. So versank das Volk in ein geistloses
Stillleben; auf dem Landmann lastete noch der feudale Druck, und in
den Städten griff ein engherziges, kurzsichtiges Spießbürgertum Platz.
Religiöse Verhältnisse. Die Stellung der religiösen Parteien hatte
sich seit dem westfälischen Frieden nicht wesentlich, oder nur zum Nachteil
des Protestantismus geändert. Einige früher protestantische Länder waren
wie die Rheinpfalz unter katholische Regenten gekommen, und katholische
Regierungen in katholischen Ländern machten sich hier und da durch
fanatische Verfolgungen der Protestanten bemerkbar. So geschah es im
Erzbistum Salzburg, als der Freiherr von Firmian den bischöflichen
Stuhl bestiegen hatte. Er rief die Jesuiten ins Land und ließ es zu,
daß seine lutherischen Unterthanen grausam verfolgt wurden. Diese sollten
keine religiösen Zusammenkünfte halten und kein lutherisches Buch, nament-
lich nicht die Bibel besitzen oder gar lesen. Aber die Lutheraner ließen
nicht von ihren Meinungen und Bräuchen, sie schworen, bei der Augs-
burgischen Konfession zu verharren und einander mit Rat und That bei-