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Geschichte der Germanen im Altertum.
Streitigkeiten um den Besitz; Verbrechen gegen das Leben
und die Freiheit eines Volksgenossen sowie gegen die Gottheit und den
ötamm waren der Volksversammlung des Stammes vorbehalten.
Nur bei den letzteren Verbrechen griff die Gemeinschaft von sich
aus ein. Feigheit und Schändung des eigenen Körpers, Landesverrat
und Abfall zum Feinde wurden mit dem Tode bestraft. Man
erstickte Verbrecher der ersteren Arten in einem Sumpfe; Landesverräter
und Überläufer wurden gehenkt. Der Vollzug der Strafe mar Sache
des Priesters, weil man die Bestrafung der Schuldigen mit dem Tode
als ein der verletzten Gottheit dargebrachtes Sühnopfer auffaßte.
Bei Verbrechen gegen einen einzelnen fand die gericht-
liche Verhandlung nur statt, wenn der Verletzte und Geschädigte oder
derjenige, in dessen Schutzgewalt er stand (der Muntwalt), Klage erhob.
Wenn er die Hilfe des Staates nicht in Anspruch nahm, so hatte der
Geschädigte oder seine Sippe das Recht, sich selbst Genugtuung zu
verschaffen. Hierzu stand ihnen die Anwendung von Gewalt oder die
Verhandlung mit dem Gegner frei. 3m allgemeinen galt auch bei den
Germanen im Falle eines Totschlages oder Mordes die Pflicht der
Blutrache, doch konnten auch diese Bluttaten durch das Wergeld
(d. i. Manngeld), in einer Anzahl von Rindern oder Schafen bestehend,
gesühnt werden.
Das Gericht fand öffentlich unter freiem Himmel statt. Sobald
das „Ding gehegt" war, brachte der Geschädigte die Klage vor; der
Gegner mutzte sich, wenn er sich nicht für schuldig bekannte, durch einen
Eid reinigen. Dieser fand die Anerkennung des Gerichtes, wenn einige
Gesippen des Beschuldigten eidlich erklärten, daß er keinen Meineid
geleistet habe. Oft wurde auch versucht, durch einen Zweikampf oder ein
anderes Gottesurteil (Drdal) Schuld und Unschuld festzustellen.
Hierbei lag der Glaube zugrunde, die Gottheit werde den Gerechten bei
seinem Kampfe oder''Wagnis zur Beglaubigung feiner Unschuld unter-
stützen. Falls ein Verbrecher die vereinbarte oder vom Gerichte fest-
gesetzte Buße nicht leistete, wurde er für friedlos, vogelfrei erklärt;
er war ausgestoßen aus der Sippe und dem Staatsverbande, sein Haus
fiel der Zerstörung anHeim, seine Habe ging in den Besitz des Staates
über. Jeder Volksgenosse hatte nicht nur das Recht, sondern sogar die
Pflicht, ihn zu töten, wo er ihn traf.
e) Kriegswesen. Jeder Freie führte die Waffen, ja die Wehr-
haftigkeit wurde als das heiligste Recht des freien Mannes angesehen.
Die Waffen waren die Främea, eine Lanze mit kurzer und schmaler
Eisenspitze, und ein aus Holz und Weiden geflochtener, bunt bemalter