Contents: Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte von 1648 bis 1815 (Teil 2)

24 Kolonisation Ostdeutschlands und Vorgeschichte Brandenburg-Preußens. 
4. „Aus all diesen Bildungen, bürgerlichen wie bäuerlichen, wuchs ein starkes, 
selbstbewußtes, zu Herrenanschauungen neigendes Geschlecht empor, das sich als Sieger 
fühlte über die Waldes- und Sumpfmächte des Landes wie über die Barbarei der 
ursprünglichen Bewohner. Line Gesinnung, die bestärkt und zu harter Selbstsicherheit 
erzogen ward durch die innere Politik des Ordens. Militärisch und religiös 
zugleich, wirtschaftlich klar bedacht, politisch allzeit vorsichtig, ver¬ 
einigte der Orden in sich alle Kräfte zu einer eingehenden, straffen 
und vom fiskalischen Standpunkte, der mit dem volkswirtschaftlichen 
fast durchaus zusammenfiel, vorteilhaften Verwaltung des Landes. Es 
hinderte ihn dabei nicht, daß ein Drittel des Landes unter der Herrlichkeit der vier 
Bischöfe und ihrer Domkapitel stand; seine einschneidende Verwaltung fand freiwillig 
oder gezwungen Nachahmung auch in den rein geistlichen Gebieten. Ls erleichterte 
seine Tätigkeit, daß er nach palästinischem Vorbild überall dieselbe Landeseinteilung 
durchgeführt hatte: überall ursprünglich militärische Bezirke, die in einer Burg den 
Mittelpunkt fanden, überall ein befehlender Komtur und ein ihn helfend und ratend 
umgebender Konvent von Brüdern. Brüder aber und Komtur waren ebenso 
Genossen wie zu absolutem Gehorsam verpflichtete Beamte des Ordens: 
alljährlich hatten sie Rechenschaft zu legen über ihre Amtsführung, über Gulde und 
Schulde, und der Hochmeister konnte sie nach Rat des Kapitels versetzen, entsetzen, 
befördern, wie ihm beliebte. In dieser Richtung ist der Ordensstaat, aus der alten 
administrativen Schulung der Kirche auf das Gebiet weltlicher Verwaltung verpflanzt, 
weitaus der modernste deutsche Staat des IZ. und der folgenden Jahrhunderte gewesen: 
er allein verfügte in so früher Zeit innerhalb der Grenzen deutschen Wesens über 
das wirksame Werkzeug eines absolut sicheren Beamtentums. Dies Werk¬ 
zeug, nicht eine absolutistische Verfassung — schon früh kennt man auch für Preußen 
die Anfänge ständischer Vertretungen — hat im Jahrhundert seine eigenartige 
Größe, seine bewundernswürdige Stellung unter den Ostseestaaten herbeigeführt." 
(Lamprecht a. a. O. III. Bd. S. <^0.) 
Anmerkung. Nur das eigentliche Preußenland erfuhr eine so intensive Germani- 
sation, daß es zu einem deutschen Lande wurde. In den heutigen sogenannten Ostsee¬ 
provinzen (Kurland, Estland rc.) machte sich über der Masse der litauisch-finnischen 
Urbevölkerung nur eine dünne Schicht deutscher Grundherren und städtischer Patrizier 
ansässig, so daß — abgesehen von einigen rein deutschen Städten — diese ganze deutsche 
Ansiedlung einen „einseitig aristokratischen Charakter" trug. 
IV. Germanisation in der Lausitz. 
In dem Gebiete der ältesten slawischen Eroberungen deutscher Fürsten, 
im Sorbenlande erzielten die Germanisationsversuche anfangs keinen durch¬ 
greifenden Erfolg. 
1. Die alten thüringischen Marken der Sachsenkaiser waren rein militärische 
Okkupationen gewesen; in den zur Beherrschung des Landes angelegten Burgen faßen 
die deutschen Herren als Obereigentümer des Grundes und Bodens der Burgwart¬ 
bezirke, deffen Bebauung in der Regel der hörigen slawischen Urbevölkerung überlassen 
wurde. Lin nicht unbedeutender Teil des ganzen Gebietes, die heutige sächsische 
Oberlausitz, befand sich überdies bis ins *7. Jahrhundert hinein fast ununterbrochen 
im Besitze der Krone Böhmens, fo daß also auch von seiten der Landesherrschaft 
nichts zur Förderung des Deutschtums getan wurde. 
2. Lange Zeit blieb daher die Kirche die einzige germanisierende Macht im 
Sorbenlande. Denn überallhin folgten dem erobernd vordringenden deutschen Krieger 
die deutschen Priester; in den größeren Orten erhoben sich bald stattliche Kirchen und 
Klöster als Ausgangspunkte germanischer Geisteskultur (f. Anm.). 
3. Als dann im \2. Jahrhundert die große Kolonisationsbewegung in den 
Gebieten der Llbslawen und baltischen Slawen einsetzte, wurde auch im Sorbenlande 
die Ansiedlung bäuerlicher Bevölkerungselemente lebhafter betrieben: Graf wiprecht
	        
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