Das Zunftwesen.
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„Meyster geben! betner Pflichten! Der Lerjung ist btr übergeben vom
Handwerk zur Sorge über Seele unb Lip, als bie Orbnungen vorschreiben
unb Gottes Orbnung verlangt, unb bu mußt Rechenschaft geben über binen
Lerjung unb solst in barumb halten als bin eigen Kind."
Eyn cristlich ermannng. Maynz, 1513. Janssen a. a. O. 339.
d. Die Zunftgerichtsbarkeit.
„Die oberste Gewalt innerhalb ber Zunst hanbhabte bie Gesamtheit
ber zünftigen Meister, beren Versammlungen meist an Vormittagen statt-
fanben unb beshalb gewöhnlich Morgensprachen genannt würben." „Der
Zunftvorstand leitet bie Versammlung, spricht Recht in gewissen Zunft-
unb Gewerbesachen, hanbhabt bie Sitten- unb Gewerbepolizei, soweit sie ber
Innung burch bie Stabtbehörbe zugesprochen ist, erhebt Bußen unb Gefälle,
verwaltet bas Vermögen ber Zunft, besorgt bie gemeinsamen kirchlichen
Angelegenheiten ber Genossen unb bie Unterstützung unb Pflege ber armen unb
kranken Mitglieber, ber Witwen unb Waisen ber Zunft." Otto a. a. O. S. 48.
e. Die politische und militärische Seite der Zünfte. Die Zunst-
kämpfe.
„Als stäbtische Wehrkörper lernten bie Zünfte zuerst ihre eigene
Macht fühlen. Sie bitbeten in ber Regel Unterabteilungen ber Bürgerwehr.
Die Anschaffung von Schutz- unb Trutzwaffen gehörte fast regelmäßig zu
den Aufnahmebebingungen ber Zunft. Wenn bas Lärmzeichen ertönte, eilten
bie Genossen mit Harnisch unb Eisenhut, mit Speer unb Tartsche (Schild)
auf ihre Zunfthäuser, Trinkstuben ober nach ben ihnen angewiesenen Alarm¬
plätzen. Zuweilen waren ben einzelnen Zünften befonbere Tore, Türme
unb Mauerabschnitte bestimmt, bereit Besetzung unb Verteibigung ihnen
oblag. Rückte bas Bürgeraufgebot zu kriegerischem Zuge ober zum Geleite
aus, so bitbeten bie Zünfte einzelne Schlachthaufen, betten bas Zunftbanner
voranwehte. Im Dienste ber oft so kühnen und gewagten auswärtigen
Politik bes Geschlechterrates hielten sie ben Rittern mannhaft Wiberpart uttb
erfochten manchen glänzenden Sieg. ,Wie haben ba bie Gerber so meisterlich
gegerbt! Wie haben ba die Färber fo purpurrot gefärbt!' Kein Wunber
wahrlich, baß den Meistern ber Kamm schwoll. Die machtvolle Entfaltung
der GeWerbetätigkeit hatte gar manchen von ihnen wohlhäbig gemacht,
währenb manche Geschlechter herabgekommen waren. Der genossenschaftliche
Gemeinsinn unb ber kriegerische Geist, sie taten bas Ihrige, um bas Selbst-
gesühl bes Handwerkers zu heben. Er mußte sehen, wie ber Geschlechterrat
die Stadt in eine opferreiche auswärtige Politik verwickelte, wie er Schulben
auf Schulben häufte, teilweise um Brübern unb Vettern eine bequeme
Kapitalanlage zu schaffen, wie er die alte Vermögenssteuer durch Verbrauchs-
steuern oder ,Itagelder' zu ersetzen trachtete, deren Zahl und Betrag er