Full text: Deutsche Geschichte bis zum Ausgange des Dreißigjährigen Krieges (Bd. 1)

Hausier: Deutschland nach dem Dreißigjährigen Kriege. 
297 
hatte jetzt die ersten großen und bleibenden Verluste an Land und Leuten 
aufzuzählen. Denn nicht nur die Abfälle alter Zeiten, wie die Schweizer 
Eidgenossenschaft, erlangten damals ihre rechtliche Anerkennung, nicht nur die 
lothringischen Bistümer wurden aus einem bestrittenen Besitze ein rechtmäßiges 
Eigentum des westlichen Nachbarn, es ward zugleich die fremde Oberherr- 
lichkeit im Elsaß, in Pommern, in Bremen und Verden anerkannt, und — 
fast die schmerzlichste von allen Einbußen — der kostbare Besitz der bur¬ 
gundischen Niederlande war teils in fremde Hand geraten, teils in die Bahnen 
einer auf deutsche Kosten aufblühenden Sonderentwicklung hineingedrängt 
worden. Mit der Herrschaft über die Ostsee hatte also Deutschland zugleich 
den wichtigsten Zusammenhang mit der Nordsee verloren und fand sich nun 
ausgeschlossen von dem Anteil an Macht und Reichtum, den die Nationen 
auf den Meeren und in den Kolonien erwarben. Die deutsche Nation selber 
war aber jetzt am wenigsten dazu angetan, so furchtbare Nachwehen rasch zu 
überwinden. Sie stand am Ende eines Kampfes, der den patriotischen Gemein- 
sinn auf lange hin vernichtet und dafür oben wie unten die niedrigsten Leiden- 
schaften entfesselt, der die ausländische Einmischung herbeigerufen und eine 
scheußliche Tyrannei einheimischer und ausländischer Söldner begründet hatte. 
Es lebte eine ganze Generation, die nichts anderes gesehen als diesen Bürger¬ 
krieg mit seinen entsittlichenden Folgen. Wohin man schaute, überall bot 
sich eine verarmte und verwilderte Bevölkerung, die mit dem alten Wohl- 
stände auch das Selbstgefühl und den Freiheitssinn besserer Tage verloren hatte. 
Auch für die Verfassung des deutschen Reiches hat der Westfälische 
Friede auf lange Zeit hin die Entscheidung gegeben. Es war fortan nicht 
mehr zweifelhaft, ob im Reiche die einheitliche oder vielheitliche Ordnung der 
Dinge vorherrschen, ob Kaisertum oder Fürstentum überwiegen, ob das Band 
einer festen Staatseinheit oder nur loser Föderalismus die deutschen Lande 
zusammenhalten werde. Noch im sechzehnten Jahrhundert hatte Karl V. 
einen mächtigen Anlauf zur Herstellung einer monarchisch-militärischen Auto¬ 
rität genommen, wie sie sich damals in den meisten Staaten Europas fest¬ 
setzte; ja noch im siebzehnten konnte es eine Zeitlang scheinen, als werde 
Ferdinand II. die Entwürfe seines Ahnherrn mit besserem Erfolge wieder 
aufgreifen; allein das eine wie das andere Mal behauptete die Vielheit der 
Territorialgewalten, insbesondere das Fürstentum, den endlichen Sieg. Dieser 
Sieg war diesmal vollständig und unbestritten. Um jeden Zweifel darüber 
zu beseitigen, enthielt die Friedensakte von 1648 die Grundgesetze einer 
aristokratisch-föderativen Verfassung, in der es fast weniger auffallend erscheint. 
daß die monarchische Gewalt so sehr in den Schatten trat, als daß man sie 
überhaupt noch dem Namen nach bestehen ließ. 
Denn ungeachtet der überlieferten Bezeichnungen von „Kaiser" und 
„Reich" stellte Deutschland nur noch eine lockere Föderation einzelner 
Geor^-E :k e; t-irstttut 
für ir.ter rwttiooaki 
Schutbuv hfoi s hung 
Braunschwuig 
Schuibochbibiioih«*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.