Full text: Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte vom Ausgange des Dreißigjährigen Krieges bis 1815 (Bd. 2)

Schiller: Der Wiener Kongreß. 
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gewählt worden war; denn für Österreich bedeutete dies nicht mehr und nicht 
weniger als die Anerkennung seiner leitenden Stellung. Alle bedeutenderen 
Fürsten erschienen mit ihren Ministern persönlich. Frankreich war durch den 
gewandten und gewissenlosen Talleyrand vertreten. England durch den un- 
wissenden, steifen Hochtory^ Lord Castlereagh. Rußland durch Gras Nesselrode, 
Preußen durch Hardenberg und W. von Humboldt. Nur die preußischen 
Staatsmänner waren von vaterländischem Eifer und von Begeisterung für 
die hohen, ihnen zugewiesenen Aufgaben erfüllt; der größte Teil der anwesenden 
zog Genuß und Erholung der Arbeit vor. Der bedeutendste deutsche Staats- 
mann dieser Zeit. Stein, besaß nur als Berater des Zaren Einfluß. Die 
Kleinstaaten waren meist durch kleinliche Intriganten oder vielgeschäftige Leute. 
wie Hans v. Gagern. vertreten, und die 1803 und 1806 mediatisierten 
Herren unternahmen einen letzten Sturm zur Wiedergewinnung ihrer ver- 
lorenen Rechte. Eine eigentümliche Stellung nahm Frankreich ein; es war 
von vornherein von der Ordnung der europäischen Verhältnisse, soweit es 
nicht unmittelbar davon betroffen wurde, ausgeschlossen. Aber weder Lud- 
wig XVIII. noch der Minister des Auswärtigen. Talleyrand, gedachten sich 
dabei zu beruhigen. Nach langen Studien wurden die Instruktionen vom 
September 1814 entworfen, die die französische Politik bis zum Jahre 1856 
im wesentlichen bestimmten. Ihnen entsprechend vertrat Talleyrand die Zw 
Isssungdes Königs'von Sachsen zum Kongrch^Hmd den AuSWuH 
ebenso die ZuwMng der'1)eu?sDU Stamm, speziell zur Beratung und Be- 
schlußfassung über die Bundesakte. In Italien-bekämpfte er die österreichische, 
in Deutschland die preußische Borherrschaft. Also dort Wiederherstellung der 
neapolitanischen Bourbonen und Rückgabe der Legationen2 an den Papst, hier 
Erhaltung des Königreichs Sachsen. Im Osten Herstellung des Zustandes 
von 1807 und Erhaltung der Türkei im Interesse des europäischen Gleich- 
gewichts, ebenso der neutralen Schweiz. So wurde Frankreich folgerichtig 
der Gegner von Preußen und Rußland. Schon am 30. September hatte 
Talleyrand sich den Zutritt zu den Konferenzen errungen, und von da an 
stieg sein Einfluß beständig, da die Verbündeten schon uneinig waren. 
Zwei Gruppen von Fragen riefen die größten Schwierigkeiten hervor. 
nämlich die Gebietsverteilung. insbesondere innerhalb Deutschlands, wobei 
wieder die Neugestaltung Preußens im Vordergrund stand, und die zuküns- 
tige Gestalt Deutschlands. Beide Angelegenheiten berührten sich mannigfach, 
und in beiden nahm Metternich einen festen Standpunkt ein. Er wollte 
im Sinne Thuguts3 Österreich möglichst abrunden, namentlich in Italien 
und am Adriatischen Meere, und zu diesem Zwecke die entlegenen Außen- 
1 Die Tones sind die englischen Konservativen, die Mitglieder der Hofpartei. 
- Legationen hießen die Provinzen des Kirchenstaates. 
3 Thugnt, ein österreichischer Staatsmann, gestorben 1818. 
Georg.Ec-Grt-!nstltut 
,;:r 
Schulbuchforschung 
Braun schweig 
SchulbuchbibliotheK
	        
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