Die Regel des Deutschen Ritterordens.
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Wird ein Bruder eines anderen heimliche Sünde gewahr, fo. soll er ihn friedsam
und brüderlich mit Treue zur Reue und Buße verweisen. Je größer die Schuld, je größer
die Strafe; eine der schwersten Strafen sei Sonderung von der Gesellschaft und dem
Tische der anderen Brüder.
Der Meister des Ordens oder sein Vertreter soll bei allen Dingen, welche die
Ordensgemeinden angehen, als einzusetzen und zu entsetzen, Land und Ländchen zu ver-
taufen, Brüder in den Orden aufzunehmen, alle gegenwärtigen Brüder versammeln, und
was der bessere Teil der Brüder rät, befolgen. Wer aber der bessere Teil der Brüder sei,
das soll dem Urteile des Meisters überlassen bleiben.
Es ist dieser Orden zur Ritterschaft gegen die Feinde des Kreuzes und Glaubens
besonders bestimmt. Daher sind die Dinge, die zur Ritterschaft gehören, Rosse, Waffen,
Knechte, und wessen man sonst zum Streite bedarf, gestattet. Doch soll am Sattel und
Zaume wie am Schilde kein Gold und Silber oder andere weltliche Farbe sein. Sattel,
Schaft und Schild sollen keine Überdecke haben. Der Meister verleibt den Brüdern Roß
und Waffen und kann sie anderen geben, ohne daß die Brüder widersprechen dürfen, denn
sie haben kein Eigentum daran.
Laute Jagd mit Meute und Beize mit Federspiel dürfen die Brüder nicht üben. Sie
mögen Jäger halten, die das Wildbret in den Ordensrevieren erlegen. Aber Raubzeug,
Wölfe, Luchse, Bären, Löwen, nicht zur Kurzweil, sondern zu gemeinem Nutzen, mögen
sie jagen, Vögel schießen der Übung halber.
Ein jeder Bruder soll an Mantel, Kappe und Wappenrock ein schwarzes Kreuz
tragen, damit er äußerlich bezeuge, daß er ein Glied des Ordens sei. Die Ritterbrüder
sollen weiße Mäntel tragen zum Zeichen ihrer Ritterschaft. Die Kleider sollen weder zu
lang noch zu kurz, weder zu eng noch zu weit sein. Hemden, Niederkleid und Hosen,
Seilach1 und Bettgewand der Brüder sollen von Leinwand sein. Die Schuhe sollen keine
Schnüre, keine Schnäbel, keine Unken- haben. Alle Brüder sollen ihr Haar ordentlich
geschoren halten, daß man vorn und hinten erkenne, daß sie begebene Leute3 sind. Die
Pfaffenbrüder sollen nicht zu kleine Platten tragen, auch die Bärte scheren wegen des
Meßamtes.
Wenn die Brüder zum Essen kommen, so sollen die Pfaffen den Segen sprechen
und die Laien ein Paternoster und ein Ave Maria; an drei Tagen, Sonntags, Dienstags
und Donnerstags, ziemt es, Fleisch zu essen, an den anderen drei Tagen mögen sie Molken
und Eier, an dem Freitag Fastenspeise essen. In ihren Häusern essen die Brüder zwei
und zwei miteinander, nur Mus und Trunk hat ein jeder für sich. In allen Häusern,
wo ein Konvent ist, nämlich zwölf Brüder und ein Komtur, soll man stets die Sektion4
bei Tische halten, und alle, die da essen, sollen sie mit Schweigen hören. Überhaupt soll
wenig und nur, was notwendig ist, bei Tische gesprochen werden, es sei denn, daß der
Oberste um der Gäste willen Erlaubnis gibt. Die Brüder sollen nicht vom Tische auf-
stehen, ehedenn sie abgegessen haben. Das ganze Brot soll man bewahren, das an¬
gebrochene als Almosen geben. Auch soll man den zehnten Teil des Brotes, das in dem
Ofen des Hauses gebacken wird, den Armen reichen.
An bestimmten Tagen soll gefastet werden, und sollen an diesen die Brüder
Kollationb halten und zum Abendtrunk zusammenkommen zwischen Vesper und Komplet>
Nachdem das Komplet gesprochen ist, sollen die Brüder schweigen, bis die Prima des
anderen Tages gesungen ist.
Alle gesunden Brüder sollen an einer Stätte beieinander schlafen, jeder in besonderem
1 Bettuch. 2 Hohe Absätze. 3 Das kurzgeschnittene Haar war das Zeichen
der Unfreiheit. 4 Geistliche Lesung. 5 Kleine Stärkung. 6 Die letzte der klöster-
lichen Tagzeiten, wie die Prim die erste ist.