Full text: Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart (Bd. 3)

226 Strutz: Die preußische Steuer- und Finanzreform unter Wilhelm II. 
1891/92 23,5 Prozent. 1892/93 nur 16,3 Prozent, und diese entlasteten 
Einkommensgruppen von 900 — 6000 Mark umfaßten mehr als 95 Prozent 
aller Steuerpflichtigen! Verstärkt wurde die Entlastung dadurch, daß wesent- 
Uch infolge des sich von 79,5 aus 124,8 Millionen erhöhenden Veranlagungs¬ 
solls die Gemeindezuschläge zur Einkommensteuer nicht unerheblich herab- 
gingen: während sie im Rechnungsjahre 1891/92 für die Städte im Durch- 
schnitt der Monarchie aus ca. 180 Prozent zu veranschlagen waren, waren 
sie nach einer für das Jahr 1894/95 aufgenommenen Statistik ohne wesent¬ 
liche Steigerung der Belastung der Ertragssteuern mit Zuschlägen auf 
ca. 158 Prozent gesunken . . . 
In nicht geringerem Maße hat das Gewerbesteuergesetz das in 
der Thronrede aufgestellte Programm „Entlastung der kleinen und mittleren 
Betriebe" innegehalten. Durch die Freilassung aller Betriebe, deren Ertrag 
1500 Mark und deren Anlage- und Betriebskapital 3000 Mark nicht erreicht, 
wurde — abgesehen von einer besonderen „Betriebssteuer" für den Betrieb 
der Gast- und Schankwirtschaft und des Kleinhandels mit Spirituosen — 
die Hälfte aller bisher steuerpflichtigen Betriebe von der Gewerbesteuer 
völlig befreit. Für die steuerpflichtig bleibenden aber wurde durch die Be- 
messung der Steuer nach dem Ertrage statt nach äußeren Merkmalen, und 
durch die Abstufung der Steuersätze die seitherige Begünstigung der großen 
und Benachteiligung der kleinen und mittleren Betriebe beseitigt und viel- 
mehr eine geringe Mehrbelastung der größeren Betriebe ermöglicht. Infolge- 
dessen trugen nach der ersten Veranlagung nach dem neuen Gesetz (1893/94) 
die ca. 354000 Steuerpflichtige, d. h. ca. 80 Prozent der Gesamtzahl, 
umfassende unterste Steuerklasse zu dem Gesamtaufkommen der Steuer nur 
5,7 Millionen Mark bei, die in der ersten Klasse besteuerten 3389 
(= 0,8 Prozent aller) Steuerpflichtigen dagegen 5,9 Millionen, während 
im Jahre zuvor der gesamte Großbetrieb (7415 Steuerpflichtige) nur zwei 
Millionen, dagegen der Kleinhandel fünf Millionen, das überwiegend auch 
zum Kleinbetriebe gehörige Handwerk weitere zwei Millionen aufzubringen 
gehabt hatte. Dabei ist der Steuersatz ein so mäßiger — nicht mehr als 
ein Prozent des Ertrages —. daß auch für die Großbetriebe von einer 
Überbürdung nicht die Rede fein kann. 
Mit Recht konnte daher der Monarch, als er die Session des Land¬ 
tages, in welcher diese Gesetze und daneben die eine notwendige Grundlage 
für die Fortführung der Steuerreform bildende Landgemeindeordnung 
für die östlichen Provinzen zustande gebracht waren, am 20. Juni 1891 
schloß, in feiner Thronrede seine volle Befriedigung über das Erreichte 
aussprechen: 
„Wenn auch das Ziel, an welchem Ich festhalte, nicht in vollem Umfange erreicht 
werden konnte, so darf es doch Mich und Mein Volk mit gerechter Genugtuung erfüllen,
	        
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