Full text: Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart (Bd. 3)

Seemacht und Volkswirtschaft. 
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werden können. Diese Reserve ist so hoch zu bemessen, daß sich auch Ver- 
stärkungen aus ihr entnehmen lassen, wenn zur Beilegung entstandener 
Konflikte eine größere Machtentfaltung an Ort und Stelle notwendig wird. 
Hiernach werden 3 große und 4 kleine Kreuzer als erforderlich erachtet." 
Die Aufgabe dieser Auslandschiffe ist, das Ansehen des deutschen Namens 
und die Reichsgewalt in fremden Meeren zu repräsentieren, mit ihrer Flagge 
Leben und Eigentum deutscher Landsleute in Konflikten an Ort und Stelle 
zu decken und an ihrem Teile die Verbindung mit dem Mutterlande auf- 
recht zu erhalten. Aber die wirkliche Entscheidung in den großen Kämpfen, 
wo es sich um Sieg oder Niedergang der Völker handelt, liegt nicht bei 
den Kreuzern; sie selbst sind zu schwach und die Stationen zu gering besetzt, 
um Schlachtschiffen des Gegners — und auch kleine überseeische Staaten 
besitzen jetzt leistungsfähige Schlachtflotten — widerstehen zu können. So 
umfassend die Aufgaben der Auslandschiffe sind, so nötig sie für den Schutz 
unserer Seeinteressen sein mögen, die schicksalsschwere Entscheidung liegt, 
wenn einmal der Tag der großen Abrechnungen kommt, bei der Macht und 
Kraft der Schlachtflotte in den heimischen Gewässern. Muß sich Deutsch- 
land zur See mit einem Feinde messen, so fallen damit auch die Würfel 
darüber, wem die Kolonien gehören, und wer am Welthandel teilhat. 
Nicht die Kreuzer im Auslande, sondern die Linienschiffe in unseren euro- 
patschen Meeren werden mit ihren Kanonen und Panzern diese Frage 
beantworten. 
So schützt die deutsche Kriegsflotte den deutschen Außenhandel, der 
für unsere Industrie und unsere Landwirtschast eine ihrer Existenzbedin- 
gungen geworden ist. Aber sie weiß eine noch höhere Pflicht zu erfüllen. 
Auch im Vaterlande selbst ist eine starke Seemacht für die gedeihliche Ent¬ 
wicklung und die Blüte der Volkswirtschaft unentbehrlich. Schon ihr Dasein 
allein ist eine Mahnung zum Frieden, eine Warnung und Drohung gegen 
Ruhestörer. Man kann ohne Übertreibung sagen, daß die Überlegenheit 
der englischen Marine jüngst im Faschodasatte1 den Frieden gewahrt hat; 
die Franzosen wagten nicht anzugreifen. Im Kriege aber schützt die Schlacht- 
flotte nicht nur die Sicherheit der heimischen Küsten, indem sie den Feind 
abhält, Truppen für eine Invasion zu landen oder Hafenplätze zu beschießen, 
sondern sie erfüllt auch die Aufgabe, das wirtschaftliche Leben der Nation, 
das gerade in Kriegszeiten einer besonderen Kraftanspannung bedarf, im 
Gange zu erhalten. Gelingt es dem Feinde, durch eine effektive Blockade 
die Aus- und Einfuhrwege zu sperren — und die geographische Gestaltung 
der deutschen Küste erleichtert eine feindliche Absperrung —, so sind die 
großen Blutadern im wirtschaftlichen Organismus des Reiches unterbunden, 
1 Ende 1898 mußten die Franzosen das von ihnen besetzte Faschoda am oberen 
Nil räumen, weil England sonst an Frankreich den Krieg erklärt hätte.
	        
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