Treitschke: Die Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland.
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aufgestellt worden, aber der einzig ausführbare Weg. nämlich unter Preußens
Führung zum Ziele zu gelangen, niemals in Aussicht genommen, sondern
vielmehr mit allen Kräften zurückgewiesen war. Deshalb gebührt jenen
einsichtsvollen Beamten, den Geheimräten Massen, Eichhorn, Kühne und
Motz, unstreitbar der Ruhm, den großen Gedanken trotz aller Schwierig-
feiten und Hindernisse glücklich ausgeführt zu haben, während man dem
Könige persönlich das ebenso große Verdienst zusprechen muß, die richtigen
Männer sür das Werk ausgewählt und dieselben durch beharrliches Ver-
trauen gestützt zu haben.
Alle jene von gegnerischer Seite gemachten Versuche zu nebenbuhlerischen
Zolleinigungen waren in Nichts zerfallen; der preußische Verband aber blieb
auf seiner festen Grundlage unerschüttert in Wirfsamkeit, bis zuletzt die
große Einigung Deutschlands alle Sonderverträge unnötig machte. Des¬
halb durste auch König Wilhelm, als er am 17. März 1863 den Grund¬
stein zu dem Denkmale seines Vaters dem Berliner Schlosse gegenüber in
die Erde zu senken befahl, die Worte verfünden lassen: „Der Zollverein,
des Königs eigenster Gedanke, krönte seine Bestrebungen für die Wohlfahrt
des Volkes und war die Freude und Ehre des Königs, der sich als deutscher
Fürst stolz fühlte und seines Volkes Beruf für Deutschland nicht aus den
Augen ließ."
Literatur: Weber, Der deutsche Zollverein. 2. Aufl. Leipzig 1871. — Zim¬
mermann, Geschichte der preußisch-deutschen Handelspolitik. Oldenburg 1892.
5. Die Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland.
Von Heinrich von Treitschke.'
Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Leipzig, Hirzel. 1889. 4. Bd.
S. 578. (Gekürzt.)
Der gesamte Verkehr mit dem Auslande, zumal der überseeische, hing
noch, völlig ungeordnet, von tausend Zufällen ab. Wenn der alte Goethe
seinem getreuen Carlyle^ ein Kästchen mit Geschenken senden wollte, so mußte
er oft monatelang warten, bis ein befreundeter Hamburger Reeder ein
Schiff nach Edinburgh abgehen ließ; im Winter hörte dieser Verkehr gänzlich
aus. Und dazu bie schlechthin unberechenbaren Kosten. Wer sich nicht vor-
sah, konnte Wuuder erleben. Im Jahre 1834 kaufte der sächsische Konsul
1 Über v. Treitschke vgl. Qucllenstoffe und Lesestücke 2. Bd. S. 231.
2 Der englische Gelehrte Thomas Carlyle (1795—1881) wandte sich der
deutschen Literatur zu und suchte die Werke der deutschen Dichter, namentlich Goethes,
mit dem er im Briefwechsel stand, und Schillers, seinen Landsleuten durch Übersetzungen
und Abhandlungen zugänglich zu machen.. Er schrieb Werke über die französische Revo-
lution, über Friedrich den Großen und „Über Helden, Heldenverehrung und das Helden-
türnliche in der Geschichte".