Full text: Grundriß der Geschichte

VIII. Geschichte des Frankenreichs. Erstes Kapitel. 83 
welche die durch Sprache und Sitte getrennten Völker durch gleiche 
kirchliche Ordnung zusammenband; vom Kaiser aber ging alle 
Macht im Weltlichen und Geistlichen aus. Er setzt als seine Beam- 
ten die Grafen, welche den Heer- und Gerichtsbann ausüben; er 
ernennt die Sendboten, einen weltlichen und einen geistlichen, 
welche in ihren Bezirken Beschwerden entgegennehmen, auf Aus- 
führuug der kaiserlichen Anordnungen halten und dem Kaiser Bericht 
erstatten. Er ist der oberste Richter, entscheidet über Krieg und 
Frieden und ernennt die Heerführer. Unter dem Beirate eines 
Staatsrates und der Zustimmung der Reichsversammlung (Mai- 
feld) erläßt er allgemeine Reichsgesetze (Kapitularien), er beauftragt 
seine Beamten mit gerichtlicher Verfolgung der Verbrecher, dehnt die 
Heeresfolge auf sämtliche Gemeinfreie aus, mindert aber für die 
Armen die damit verbundene Last. Synoden und Reichsversamm- 
luugen treten gewöhnlich vereint zusammen; nach feinem Willen werden 
die Bischöfe gewählt, seine geschicktesten Werkzeuge; er entscheidet über 
die Beschlüsse der Synoden und sichert deren Durchführung, er ist 
tatsächlich Regent und doch zugleich devotester Knecht der heili- 
gen Kirche. Die Kronvasallen find einflußreich in den Reichsversamm- 
luugen, bilden mit ihren Mannen einen ritterlichen Kriegerstand, 
ein stets schlagfertiges Heer, und der König befördert daher die Aus- 
breitung von Lehnsverbänden; er sichert aber zugleich seine oberlehns- 
herrlichen Rechte und hindert die Bestrebungen der Großen, die kleinen 
freien Grundbesitzer in ihre Abhängigkeit zu zwingen. 
Die innere Staatsverwaltung des Königs bestand zwar vor- 
herrschend in der Handhabung des Kriegswesens und der Rechtspflege, 
aber es ging zugleich von den königlichen, über das ganze Reich ver- 
streuten Krongütern der Segen fortschreitender wirtschaftlicher Kultur 
aus. Als der erste Landwirt, der erste Fabrikant und der erste Kauf- 
mann seines Reiches war Karl der Große durch die kluge, sorgfältige 
und sparsame Verwaltung seiner Güter ein Vorbild namentlich für die 
Großen des Reiches. In feinen Pfalzen erscheint die römische Villa 
germanisiert, und für die lohnende Bewirtschaftung derselben gab der 
königliche Gutsherr in seinen Kapitularien die eingehendsten An- 
Weisungen. Hier ganz Landwirt, zeigte er sich in seinem Prachtpalaste 
zu Ingelheim am Rhein als mächtiger Herrscher, und in seiner 
fpätern Regierungszeit gründete er sich eine ständige königlickie Residenz 
an den warmen Quellen von Aachen. Eifrig betrieb er 'die Volks¬ 
bildung auf kirchlicher Grundlage. In der „Akademie" an fernem 
Hofe vereinigte er gelehrte Männer als feine Freunde und als Hel- 
fer feiner Kulturbestrebungen: Alkuin, Angilbert, Eginhard (fein Bio- 
graph), Paul Warnefried, Petrus von Pisa u. a. Neben Theologie 
trieb mau Mathematik, Grammatik, Dialektik, las die Bibel und alte 
Autoren. Karl ließ alte deutsche Heldenlieder sammeln, und man 
beschäftigte sich mit Begründung einer deutschen Grammatik. Seine 
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