Full text: Grundriß der Geschichte

X. Deutsche Kaisergeschichte. Drittes Kapitel. 109 
den Papst entschiedener auftrat, bot Jnnocenz die Hand dazu, daß der 
in Sizilien inzwischen herangewachsene Sohn Heinrichs VI., Fried¬ 
rich IT., die väterliche Krone in Deutschland gewann. 
Jnnocenz III. sah die dem Reiche Christi verheißene Herr- 
schaft über die Welt in der Hoheit der römischen Kirche über 
alle irdischen Reiche; in dem Papsttum erblickte er eine von Gott 
gesetzte Macht, zu der die weltlichen Herrscher als zu einem untrüg- 
liehen Leitsterne ehrfurchtsvoll und dankbar aufblicken sollten. Dieser 
Idee widmete er feine Reichtümer und was feilte Legaten habsüchtig 
zusammenbrachten, während er selbst einfach, wie Cineinnatus, lebte. 
Die Befestigung der päpstlichen Herrfchaft im Kirchenstaate, das 
Streben nach Befreiung Italiens von ausländischer Herrschaft, 
die Gewinnung der Oberlehnsherrfchaft über England unter König 
Johann ohne Land, über Portugal und Aragonien, die Ausrottung der 
Ketzer, die strenge Ordnung der Kirche im Innern, die Aus- 
breitung derselben im Osten unter den Preußen und der Versuch der 
Rettung der morgenländischen Kirche durch die Gründung eines 
lateinischen Kaisertums in Konstantinopel: dies alles bezeichnet 
die weitgreifende Thätigkeit dieses großen Kirchenfürsten. Als Haupt 
der christlichen Völkerfamilie erschien er auf der glänzenden Lateran-1215. 
Synode, welche den Grundsatz von der alleinseligmachenden römischen 
Kirche, die Macht des Priesters zur Brot- und Weinverwandlung 
(Transsnbstantiation) beim Abendmahle, die Notwendigkeit der Ohren- 
beichte und die Schlüsselgewalt des Priesters festsetzte. In Sizilien 
hatte er mit der Vormundschaft über den jungen Friedrich IL 
zum Schutze feines Mündels auch die Oberlehnsherrfchaft über das 
Erbe desselben an fich gebracht, und er erteilte nun dem jungen 
hoffnungsvollen Staufer die päpstliche Bestätigung zur Annahme der 
deutschen Königskrone gegen das Versprechen, daß derselbe 
das Reich beider Sizilien stets als päpstliches Lehen betrachten und 
niemals mit dem deutschen Kaisertums vereinigen wolle. Der blühende 
Enkel Barbaroffas wurde in Deutschland begeistert aufgenommen und 
erlangte die feierliche Krönung in Aachen. Otto IV. erlitt mit den 
Engländern im Kampfe gegen den mit Friedrich verbundenen König 
Philipp II. August von Frankreich bei Bouviues in Flandern eine 
schmähliche Niederlage und starb bald machtlos auf der Harzburg. 
Friedrich IL (1215—50): Stellung inmitten der Gegensätze seiner Zeit, Doppel- 
kämpf gegen den Papst und die welfische Städtemacht in Italien. 
§ 75. Die Zeit, in der Friedrich II. lebte, ist reich an 
wunderbaren Gegensätzen: neben heiterm ritterlichen Zierleben 
sieht man finsteres Ketzerrichtertum, neben der Pflege anmutiger Welt- 
licher Dichtung Geschmack an den Grübeleien der Scholastik, und der 
Begeisterung für glühende Lieder der Minnesänger gegenüber steht die 
Neigung zu frommem, beschaulichem Leben und schwärmerische Hingabe
	        
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