XII. Kulturzustände im Mittelalter. Zweites Kapitel. 131
vollen Zeit der salischen Kaiser war Lambert von Hersfeld als
Geschichtsschreiber bedeutend; aber volle Regsamkeit in Wissenschaft und
Kunst entwickelte sich erst wieder in der glanzvollen Hohenstausenzeit.
Hohenstanfische Zeit. Die Bischöfe Otto von Freising
(Leben Barbarossas) und Wilhelm von Tyrus (Krenzzüge) glänzen
als Geschichtsschreiber. Als Naturknndiger, Mathematiker und Me-
Chemiker geriet Bischof Albertus Magnus von Regensburg in
den Ruf ber Zauberei. Deutsche Rechtssatzungen wurden im „Sachsen-
und Schwabenspiegel" aufgeschrieben; das ausgebildetere römische
Recht, von den Kaisern begünstigt, wurde studiert. Die Wissen-
fchafteit in ihrer Nach blute im byzantinischen Reiche und in ihrem
neuen Triebe bei den spanischen Arabern und Juden übten ihren
Einfluß auf das christliche Abendland. Es entstanden die Universitäten
Bologna, Salerno, Paris; es wurden zuerst die 7 freien Künste
gelehrt, in einem untern Lehrkursus: lateinische Grammatik, Rhetorik,
Dialektik (Trivium), in einem obern: Arithmetik, Geometrie, Astrono¬
mie , Musik (Quadrivium), dann die Fakultätswissenschaften:
Theologie, Jurisprudenz und Medizin. Anf allen Gebieten des Welt-
licheu Wissens sollte im Mittelalter der Geist lediglich die über-
lieferten Satzungen des Altertums sich vermitteln: das römische
Recht, die griedjistfje Heilkunde, die Naturkunde des Aristoteles und
des Plinius; die Theologie aber sollte das Maß und Ziel aller
Wissenschaft sein. Sie blühte als Scholastik und Mystik, von
denen jene das von der Kirdje Gegebene mehr mit dem Verstände
auf dem Wege logischer Begründung, diese es mehr mit dem Genüite
auf dem Wege innerer Beschaulichkeit und Hingebung als wahr
erfassen wollte. Diese Gegensätze gerieten in ihren Hanptvertretern
Abälard und dem hl. Bernhard hart aneinander. Den Höhen-
Punkt erreichte die Scholastik im Lehrgebäude de* hl. Thomas,
Grasen von Aquino. Während sie dann in unfruchtbare Grübeleien
fith verlor, schritt die Mystik zur Vergeistigung des christlidjen Volks¬
glaubens unb zur bichterischen Verklärung besselben (in Dantes »gött¬
licher Komöbie") fort. Einen entscheidenden Fortschritt der Wissenschast
begründete ber Englänber Roger Bcico, indem er für die Natur¬
forschung auf Anschauung drang; ihre Pflege ging hiermit zugleich
auf die Schule und weltliche Gelehrte über. Dichtkunst und Bau-
fünft (§ 88, 89) feierten ihre mittelalterliche Vollendung. Von der
Architektur wurden bie Schwesterkiinste Plastik unb Malerei in ben
schlichen Dienst gezogen, besonders die Glasmalerei. Die Plastik
füllte bie Dome mit bot Gestalten bcr hl. Geschichte, unb bie Malerei
begann bereits in Italien ben großartigen Aufschwung, ber sich in
den folgenden Perioden vollendet. Die bisher herrschende byzantinische
Lanier mit ihren steifen Figuren wurde in Plastik und Malerei durch
Nachahmung der Natur durchbrochen, und als der gotische Stil die Ent-
toicfelung ber Wandmalerei unterbrach, schritt die Malerei in den
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