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durch. Friedrich Wilhelm III. hob die Erbunteitänigkeit der
Bauern auf. Und Kaiser Wilhelm I. und sein Enkel Wilhelm II.
sorgten durch Gesetze dafür, daß der Staat den Arbeitern hilft,
sobald sie durch Krankheit, Invalidität oder Alter erwerbsunfähig
geworden sind.
Nach dem deutsch-französischen Kriege nahm die Gewerb-
tätigkeit, besonders der Großbetrieb in den Fabriken, einen un¬
geahnten Aufschwung. Einerseits wurden dadurch die Erzeug¬
nisse der Industrie, aller Bedarf und Schmuck des Lebens, billiger
und immer weiteren Kreisen des Volkes zugänglich; anderseits
aber geriet das Kleingewerbe, das Handwerk, immer mehr in
Verfall, und die Zahl der von den Großunternehmern abhängigen
Arbeiter wurde von Jahr zu Jahr größer. Sie verließen das Land
und drängten sich in Großstädten und Fabrikorten zusammen.
Die wirtschaftliche Lage der Arbeiter war aber immer noch un¬
günstig und unsicher, und deshalb war es ihnen in der Regel
nicht möglich, für die Zukunft zu sorgen. So kam es, daß die
Arbeiter, wenn Krankheiten oder Unfälle sie am Verdienen hin¬
derten, oft drückenden Mangel litten. Noch schlimmer war es
für sie, wenn sie alt oder vor der Zeit schwach wurden; nicht
selten waren sie dann dem Elend preisgegeben.
Diese und andere Übelstände traten namentlich zutage, als
nach den Jahren des Aufschwunges der Industrie ein starker
Niedergang erfolgte. Die überhastende Gewerbtätigkeit hatte mehr
Güter erzeugt, als verbraucht werden konnten. Die Geschäfte
stockten, weil die Käufer fehlten; Handel und Gewerbe gingen
zurück. Der Arbeitslohn wurde geringer, und schließlich mußten
Tausende von Arbeitern entlassen werden. Mit der Not wuchs
dann die Unzufriedenheit. Viele hätten gern mit Gewalt andere
Zustände herbeigeführt.
Doch der Friede blieb gewahrt, und durch eine rechtzeitige
Gesetzgebung suchte Kaiser Wilhelm I. eine ruhige Entwickelung
der gesellschaftlichen Zustände anzubahnen. Fabrikinspektoren,
die im Reiche angestellt wurden, besuchten alle Jahre die
Fabriken, um die Arbeiter vor übermäßiger Ausnutzung zu
schützen. Einigungsämter, die man einrichtete, sollten Streitig¬
keiten zwischen den Arbeitgebern und ihren Arbeitern schlichten.
Die Frauen- und Kinderarbeit in den Fabriken wurde beschränkt.
Für die Arbeitslosen, die das Land durchzogen, richtete man Ver¬
pflegungsstationen und Arbeiterkolonien ein. Milde Stiftungen,
wurden gegründet, um die Notlage der Arbeiter zu lindern.