1
198 Dritter Abschnitt. Geschichte der Neuzeit.
2. Periode:
Vom 30jährigen Kriege und dem Beschluß der englischen Revolution bis zur
großen französischen Revolution.
(1648, resp. 1689 — 1789.)
XV. Zeitalter der absoluten Monarchie.
Erstes Kapitel: Die Zeit Ludwigs des XIV. Frankreichs
Rebergewicht.
Begründung der absoluten Monarchie in Frankreich durch Richelieu und Ma;arin.
Selbstherrschaft Ludwigs XIV.
§ 124. Unter Ludwig XIII. (1610—43) gelang dem gewal¬
tigsten Staatsmann Frankreichs im 17. Jahrhundert, dem Kardinal
Herzog von Richelieu, die Erhebung der absoluten Königsge-
gewalt über die großen Feudalherren, die geistliche Gewalt, auch über
die Hugenotten. Unwiderstehlich in seiner Liebenswürdigkeit, überlegen
an Verstand und Willenskraft, schreckte er in seiner zermalmenden
Strenge vor keiner rücksichtslosen Gewaltsamkeit zurück. Alle Geg-
ner der absoluten Staatsgewalt verfielen dem Gefängnis der Bastille,
der Deportation, dem Tode. Er herrschte als allmächtiger Minister
der Krone wie ein zweiter König im Lande und behandelte seine zahl-
reichen Gegner als die Gegner des Staatswohles In der äußern
Politik war sein Ziel die Schwächung der spanisch-österreichischen Macht
und des deutschen Reiches, dagegen die Ausbreitung der Autorität
Frankreichs über ganz Europa. Was er kühn und mit inquisitori¬
scher Gewaltsamkeit begonnen, vollendete während der Minderjährig-
keit Ludwigs XIV. sein Schüler, der schlau berechnende Kardinal
Mazann, mehr durch diplomatische Gewandtheit. Mit schnöder
Diplomaten fünft verlängerte er zum Vorteil Frankreichs den 30-
jährigen Krieg; im ptjrenötfchen Frieden mußte Spanien nach
24 jährigem Kriege feine Besitzungen in Südfrankreich und Teile der
Niederlande an Frankreich abtreten. Drückende Steuern erweckten den
Widerstand des Parlaments, des obersten Gerichtshofes in Paris; mit
den regierungsfeindlichen Parlamentsmitgliedern, Frondeurs, verband
sich der hohe Adel, an der Spitze Kardinal Netz und Prinz EondÄ
und es entstanden die Kriege der Fronde zum Sturz des Maza-
rinschen Regiments. Aber nach mancherlei Wechselfällen des Kampfes
triumphierte Mazann und mit ihm die unumschränkte Königsgewalt-
1601-1715.Diese übernahm nach seinem Tode der 23jährige Ludwig XIV. als
Vorbild aller großen und kleinen S elbstherrscher seiner Zeit-
Ludwig XIV. sah sich als den Repräsentanten der Nation,
als den alleinigen Inhaber aller Gewalt, auch über Religion und Ge¬
wissen, als die Quelle jeder Macht und Gnade an. Die Reichs¬
stände (6tots generaux) berief er nicht mehr, das Parlament W*'
wie» er auf die alleinige Übung des Rechts, die Regierung führte el
in anhaltender Thätigkeit mit abhängigen Staatsdienern. Das Finanz'
i