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Das Mittelalter.
den geistlichen Besitzungen statt. Dem Handel nützte Karl durch Ein-
führung einheitlicher Münzen (20 Solidi zu 12 Denaren gingen auf ein
Pfund Silber) und durch Anlegung von Landstraßen*). Jedoch scheiterte
sein Plan, die Altmühl mit der Regnitz durch einen Kanal zu verbinden,
an der Unkunde der Baumeister.
3. Das Lehnswesen. Zur Zeit Karls des Großen griff das Lehns-
Wesen auch in den rein deutschen Gegenden um sich. Viele freie Bauern,
die sich der Dingpflicht und den Kosten des Kriegsdienstes entziehen wollten
oder in der Verbindung mit einem mächtigen Grundherrn ihren Vorteil
ersahen, übergaben einem solchen ihr Gut, um es von ihm als Lehen
(Feod, beneficium, im Gegensatz zu Allod, Eigentum) mit der Ver-
pflichtung zu Diensten oder Abgaben zurückzuempsangen. So mußte Karl
der Große, der Verehrer der Landwirtschaft, zum Rückgang des freien
Bauernstandes beitragen. Eine andere Ursache der Ausbildung des Lehns-
Wesens lag darin, daß seit Karl Martells Krieg gegen die Araber sich das
Bedürfnis nach Reiterheeren geltend machte und die Hausmeier und Könige
geeignete Grundbesitzer zum Kriegsdienst mit reisigen Leuten bestimmten
und ihnen dafür Lehen zuwiesen. Den Grundherren aber gereichte die
Vermehrung ihrer Ländereien und der von ihnen abhängigen Leute zur
Ehre und zum Vorteil, zumal wenn sie noch für ihren Besitz Immunität
(Befreiung von der Amtsgewalt der Beamten) erlangten. Ferner wurden
die Beamten für ihre Dienste durch Land entschädigt: sie traten also zum
König in das Verhältnis der Vasallität.
In den folgenden Jahrhunderten erst gewann das Lehnswesen seine
volle Ausbildung. Jeder Freie konnte Lehen erteilen, auch Afterlehen,
also Lehnsherr und Lehnsmann zugleich sein; ebenso konnten Verbände, wie
Klöster und Städte, in ein Lehnsverhältnis treten. Gegenstand des Lehens
ward mit der Zeit alles, was Nutzen gewährte, nur nicht fahrende Habe:
Häuser, Mühlen, Wälder, Zölle und sonstige Abgaben, Burgen, Städte,
ja ganze Länder. Das Lehnswesen durchdrang alle öffentlichen Verhältnisse;
im staatlichen Leben war die Folge, daß sich der Vasall eines Vasallen
mehr seinem Herrn als dem Landesherrn verpflichtet fühlte; im gesellschast-
lichen Leben verstärkte es die Abhängigkeit der Ärmeren und Schwächeren
von den Reichen und Mächtigen. Die Grundlage des Lehnsverhältnisses
war wie die seines Vorbildes, des altgermanischen Gefolgswefens: der Vasall
ist treu, der Herr ist hold; aber dieses sittliche Band erwies sich nicht
immer als stark genug.
4. Aachen. Seit der Mitte der achtziger Jahre, als in dem bewegten
Leben des Königs nach dem Siege über die Sachsen etwas mehr Ruhe
eingetreten war, hielt er sich am liebsten in Aachen auf. Die herrlichen
*) Da die alten römischen Landstraßen in Verfall geraten waren, hatte sich der
Handel, der sonst auf den Straßen mit Saumtieren betrieben wurde, immer mehr auf
die Flußschiffahrt zurückgezogen.