Das griechische Volk. 5
Erinnyen, die Göttinnen des bösen Gewissens. Meere, Flüsse und
Quellen, Berge, Täler und Wälder bevölkerte die griechische Phantasie
mit zahllosen Nymphen.
3. Die Entstehung der Menschen. Nach der griechischen Sage formte
Prometheus, der aus dem Geschlechte der Titanen stammte, die mit
Zeus im Kriege lagen, die Menschen aus Ton, den er am Flusse be-
feuchtet hatte. Pallas Athene belebte diese Gebilde, indem sie ihnen
göttlichen Odem einblies. Prometheus brachte ihnen das Feuer und
unterrichtete sie in allen Künsten. Sie unterwarfen sich nun Erde und
Meer. Im Laufe der Zeit aber wurden sie schlecht, und als ihre Bosheit
immer mehr zunahm, beschloß Zeus, die Menschen zu vertilgen. Er ließ
eine große Flut kommen, die alles Land bedeckte und Menschen und
Tiere vernichtete. Nur ein gerechter Mann, Deukalion, blieb mit
seinem Weibe am Leben. Den einsamen, weinenden Menschen wurde
durch Göttermund befohlen, die Gebeine ihrer „Mutter" hinter sich zu
werfen. Nun wurden aus den von Deukalion geworfenen Steinen
Männer, während die Steine der Pyrrha weibliche Gestalt annahmen.
So wurde die Erde mit einem neuen Menschengeschlechts bevölkert.
Deukalious Sohn hieß Hellen; nach ihm nannten sich die Griechen
Hellenen.
4- Das Leben nach dem Tode. Die Griechen glaubten an ein Leben
nach dem Tode. Hermes geleitete die Seelen der Verstorbenen zur
Unterwelt. Der Fährmann Sharon führte sie über den Styx und ließ
sie ins Reich der Schatten ein. Hier waltete Hades (Pluto) als Gott
der Unterwelt. Der Totenrichter schied die Seelen in gute und böse.
Alle tranken aus dem Flusse Lethe Vergessen alles Irdischen. Die
Guten kamen ins Elysium, den Aufenthaltsort der seligen Geister,
die Bösen in den Tartarus, den Ort der Qual. Aber nur die Seelen
der Begrabenen konnten ins Elysium eingehen, deshalb bestatteten die
Griechen ihre Toten mit aller Sorgfalt.
c. Die älteste griechische Kultur. Darüber geben uns die Aus-
grabungen unsers Landsmanns Schliemann (f 1890) Kunde, die
er u. a. aus dem Hügel Hissarlik in Kleinasien, wo er Troja gefunden
zu haben glaubte, und in Mycenä und Tiryns in Argolis vornahm.
Schliemann fand Reste von tönernen, goldenen und silbernen Geräten,
von bronzenen und kupfernen Gefäßen, Schmucksachen und Waffen.
In Gräbern, die in Mycenä aufgedeckt wurden, fanden sich Goldplättchen,
Götzenbilder, Tongefäße, goldene Becher und Kannen. Die Ausgrabungen
geben auch ein klares Bild von der Anlage und Einrichtung einer vor¬
geschichtlichen Burg. — Nach den zahlreichen Funden lassen sich zwei
Kulturstufen in der frühesten Entwicklung des griechischen Volkes unter-
scheiden, die man als trojanische und mycenische zu bezeichnen pflegt.
Die trojanische Kultur war an beiden Küsten des Ägäischen Meeres
ziemlich gleich. Die Ausgrabungen zeigen, daß in dieser ersten Periode
die Griechen fremden Einflüssen noch nicht unterworfen waren. Letztere
sind aber an den Funden der mycenifchen Periode deutlich nachweisbar.