Full text: Quellenbuch für den Geschichtsunterricht in Seminaren (Teil 3)

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sehr, daß wir alle voneinander wegliefen, wiewohl wir keine rechte Ursache 
wußten, darum wir hätten erschrecken mögen, und der Bauer uns die Würste 
mit gutem, geneigtem Willen darreichte und geben wollte, außer daß vielleicht 
unsere Herzen furchtsam gewesen vom täglichen Drohen und von den Strafen 
in den Schulen, so daß wir desto leichter von solchem plötzlichen Schrecken scheu 
geworden sind. Endlich aber, da wir in der Flucht waren, rief uns der 
Bauer wieder, und wir legten die Furcht ab und liefen herzu und empfingen 
die Parteken (Eßwaren), die er uns reichte. 
Da ich ru Erfurt in der hohen Schule angefangen hatte, in guten Künsten 
und in der Philosophie zu studieren, und darin so viel gefasset und gelernet 
hatte, daß ich Magister worden war, hätte ich daselbst nach dem Exempel 
der andern die Jugend wiederum lehren und unterrichten können, oder aber 
hätte mögen fortfahren und weiter studiereu. Aber ich verließ meine Eltern 
und verwandten Freunde und begab mich wider ihrer aller Willen in das 
Kloster und zog eine Kappe an. Denn ich war überzeugt, ich würde in dem¬ 
selben Stande und mit solcher harten, sauern Arbeit Gott einen großen Dienst 
tun. Und war doch mein Gelübde nicht einer Schlehen wert, denn ich zog 
mich damit aus Gewalt und Willen der Eltern, die mir von Gott geboten 
waren. Es hat aber Gott gewollt, wie ich nun sehe, daß ich der hohen 
Schule Weisheit und der Klöster Heiligkeit aus eigener und gewisser Erfahrung, 
das ist aus vielen Sünden und gottlosen Werken, erführe, daß das gottlose 
Volk nicht wider mich, ihren zukünftigen Gegner, zu prangen hätte, als der 
unerkannte Dinge verdammet. Darum bin ich ein Mönch gewesen und noch. 
Ich ging ins Kloster, weil ich an mir verzweifelte. Ich habe immer 
gedacht: O, wann willst du einmal fromm werden und genug tun, daß du 
einen gnädigen Gott kriegst? Wir waren unter solchen Menschensatzungen 
auferzogen, die uns Gott verdunkelt hatten; ich meinte so, durch meine 
Möncherei genug zu tun. 
Mein Vater war übel zufrieden und wollte mir's nicht gestatten; er ant¬ 
wortete mir schriftlich wieder und hieß mich Du — vorher hieß er mich Ihr, 
weil ich Magister geworden — und sagte mir alle Gunst ab. 
Mit großer Andacht bereitete ich mich zur Messe und zum Gebete, aber 
wenn ich am andächtigsten war, so ging ich ein Zweifler zum Altar, ein 
Zweifler ging ich davon; hatte ich meine Buße gesprochen, so zweifelte ich 
abermals. Ich hielt täglich Messen, und in einer jeden Messe rief ich drei 
Heilige an, ich mattete meinen Leib mit Fasten und Wachen ab und hielt 
dafür, ich würde dem Gesetze ein Genüge tun und mein Gewissen vor dem 
Stecken des Treibers befriedigen, aber ich richtete nichts aus, und je weiter 
ich auf diesem Wege fortging, desto weiter wurde ich erschreckt, daß ich gar 
verzweifelt wäre. 
Da fiel ich, ein junger Theologus, im Kloster auf der Liberei in ein 
Buch, da die Reden des Johannes Hus aufgezeichnet und darin geschrieben 
standen, ward aus Fürwitz lüstern, zu sehen, was doch der Erzketzer gelehrt 
hatte, weil das Buch in öffentlicher Liberei erhalten wäre. Da fand ich 
wahrlich so viel, daß ich mich davor entsetzte, warum doch solcher Mann 
verbrannt wäre, der so christlich und gewaltig die Schrift führen konnte. 
Aber weil sein Name so greulich verdammet war, daß ich damals dachte, die 
Wände würden schwarz, und die Sonne müßte den Schein verlieren, wo 
man des Namens Hus wohl gedächte, schlug ich das Buch zu und ging mit
	        
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