Full text: Quellenbuch für den Geschichtsunterricht in Seminaren (Teil 3)

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fassunq unfähig ist, Europa zu unterjochen oder auch zu verheeren: betrachtet 
die Standarte Preußens als die Fahne eurer Freiheit, schließt 
euch an seine Macht an, unterstützt sie, befördert jeden den Gesetzen der Billigkeit 
entsprechenden Zuwachs, freut euch ihrer Erfolge, verhindert, soviel ihr könnt, 
daß sie nicht auf Irrwege qernte; sie sind ihr tödlich, weil sie keine andere 
sichere Grundlage als ihre Tüchtigkeit hat. 
21. Joseph II. gegen Glaubenszwang. 1777. 
Arneth, Maria Theresia und Joseph H. Ihre Korrespondenz samt Briefen Josephs 
an seinen Bruder Leopold. Bd. H. S. 160. Wien 1867. Französisch. Übersetzung bei 
M. Schilling a. a. O. Übersetzungen S. 33. 
Im Mai 1777 erhielt man in Wien die überraschende Nachricht, daß in Mähren 
10000 Katholiken zum Protestantismus übergetreten seien. Am 12. Sept. erging an die 
mährische Landesregierung von Wien aus ein Erlaß, der das gegen die Abtrünnigen zu 
beobachtende Verfahren vorschrieb. Infolgedessen schrieb Joseph an seine Mutter folgendes: 
Teuerste Mutter! Meine Pflicht und der unausgesetzte Eifer, den ich 
Ihrem Dienste und dem Ruhme gewidmet habe, zwingen mich. Ihnen demü¬ 
tigst vorzustellen, daß die Vorschriften, die kürzlich in Bezug auf die Refor¬ 
mierten erlassen worden sind, und von denen ich Ihnen die Abschrift zu über¬ 
senden mir gestatte, allen von jeher anerkannten Grundsätzen, welche unsere 
Religion und eine gute Verwaltung und schon der gesunde Menschenverstand 
fordern, so sehr entgegengesetzt sind, daß ich nicht den geringsten Zweifel hege, 
Ihr Scharfblick wird, sobald Sie Kenntnis davon genommen haben, die not¬ 
wendige und auch schnelle Abhilfe zu finden wissen. Kann man sich etwas 
Abgeschmackteres vorstellen, als das, was die Vorschriften enthalten? Wie, um 
die Leute zu bekehren, sie zu Soldaten machen, in die Bergwerke schicken 
oder zu öffentlichen Arbeiten verwenden! Das ist seit der Zeit der Verfolgungen 
zu Beginn der lutherischen Reformation noch nicht dagewesen; das würde von 
unberechenbaren Folgen sein. Ich fühle mich verpflichtet, auf das entschiedenste 
zu erklären, und ich werde es beweisen, daß, wer auch diese Verordnung erdacht 
hat, der unwürdigste Diener ist und folglich ein Mensch, der nur meine Ver¬ 
achtung verdient, weil er ebenso töricht wie nichtswürdig ist. 
Ich bitte Eure Majestät demütigst, sich in dieser überaus wichtigen An¬ 
gelegenheit von anderen Personen beraten zu lassen, als die sind, welche solche 
Sachen ersinnen, und indem ich hoffe, daß Eure Majestät durch Aufhebung 
dieser Verordnung schnelle Abhilfe schaffen wird, fühle ich mich gedrungen, 
gleichzeitig demütigst zu versichern, daß, wenn solche Sachen während meiner 
Mitregentschaft sich ereignen sollten. Eure Majestät erlauben wird, den meinem 
Wunsche so sehr entsprechenden Entschluß zu fassen, der ganzen Welt wissen 
zu lassen, indem ich mich von allen Geschäften zurückziehe, daß ich in dieser 
Angelegenheit mich aus nichts einlasse und für nichts einstehe. Mein Ge¬ 
wissen, meine Pflicht und meine Ehre fordern das. 
Eure Majestät wird die Form, in der ich mich ausgedrückt, verzeihen; 
sie entspricht meiner Überzeugung und meinem Gefühl, und der Gegenstand 
ist von hoher Bedeutung. Einzig von Eurer Majestät wird der Äusgang 
abhängen, den ich immer mit der ehrfurchtsvollsten Ergebenheit erwarten werde. 
Ich küsse demütigst Ihre Hand und verbleibe....
	        
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