Full text: [Band 2, [Schülerband]] (Band 2, [Schülerband])

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Rechnung tragende, abgestufte Hingebung an die Richtungen und Inhalte 
der Bildung. Der Gebildete gleicht in dieser Hinsicht „dem Wanderer, 
der hier einkehrt, dort bloß das Mahl nimmt, anderswo tagelang weilt, 
manches genau betrachtet, anderes obenhin, heimgekehrt aber dauernd im 
eigenen Hanse wohnt". Auch zwischen Lebensstellung und Bildung muß 
Einklang hergestellt sein; der Mann von gesundem Geistesleben muß die 
Resultante gefunden haben zwischen dem Zuge in die Weite, der bent 
Bildungsstreben eignet, und dem Zuge in die Enge, den allermeist der 
Berns mit sich bringt. Ohne Anschmelzung an das Bernfsinteresse ist 
das Bildungsinteresse eine bloße Zutat, kein Lebenselement, während ander¬ 
seits die Berufsarbeit ohne den anfrischenden Hauch und veredelnden Zug 
der Bildung des menschlichen Charakters verlustig geht. 
Lebendiges Wissen und durchgeistigtes Können sind Erscheinungsformen 
gebildeten Wesens; aber die Erscheinung bleibt bloßer Schein, wenn sich 
jene nicht in geläutertem Wollen zusammenfinden. Kenntnisse und Einsichten 
werden wertvolles und wertgebendes Element der Persönlichkeit, erst wenn 
sie sich zu Überzeugungen unb Gesinnungen verdichten; Formbeherrschnng 
und das Vermögen, zu gestalten, müssen sich auch an der Aufgabe bewähren, 
den rohen Stoff - der Triebe und Leidenschaften zu formen und die Be¬ 
ziehungen des Menschen zum Mitmenschen in selbstlosem Sinne zu gestalten. 
So gehören auch sittliche Bestimmungen zur Jdealgestalt des Gebildeten, 
wenngleich minder augenfällig als die bisher aufgezeichneten Momente; sie 
sind den Fundamenten des Hauses vergleichbar, die, dem Blick entzogen, 
den ganzen Ban tragen, und deren erst dann dankend gedacht wird, wenn 
sie bei Stürmen und Erschütterungen Säule und Pfeiler, Gebälk und Dach 
vor dem Einstürze bewahrt haben. Es sind die Tugenden der Weisheit, 
der Selbstbeherrschung und der Gerechtigkeit, die unserer Betrachtung den 
Übertritt in die Sphäre der Sittlichkeit vermitteln. Die Weisheit beruht 
auf eindringender Einsicht, Erfahrnngsfülle, Kenntnis des Lebens, Wohl- 
beratenheit im Handeln, das alles getragen von reiner, wohlwollender 
Gesinnung. Dem Bildnngsstreben verleiht die Nähe der Weisheit Ernst, 
Tiefe, Lauterkeit und Hinwendung ans die wahren Bedürfnisse des Lebens. 
Die Selbstbeherrschung ist der Gebrauch der Vernunft gegenüber den 
Trieben, Leidenschaften und Affekten; auf sie geht die Harmonie des inneren 
Lebens, das freie Wirken der höheren Vermögen, die wahre Schönheit der 
Seele zurück. Als Leitstern des Bildnngsdranges gibt sie diesen! die 
Wendung nach innen und hält ihn an, mit der Ruhe und Klarheit des 
Geistes die des Gemüts zu verbinden. Sie bewahrt davor, „sich mit einer 
aus dem Schaume, der ans der Oberfläche des geistigen Lebens schwimmt, 
gewobenen Seelengestalt zu begnügen, indem sie an den Kampf mit den 
Elementen der Natur mahnt, durch den sich der inwendige Mensch aus 
dem Finstern zum Lichte hinansringt." Die Gerechtigkeit, der tugend- 
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