§ 6. Vom Einfall der Hunnen bis zu ihrem Untergang. 21
§ 6. vom Anfall der Hunnen bis zu ihrem Untergang.
a. Beginn der Völkerwanderung. Der Grund für die germanischen
Wanderzüge früherer Zeit, als deren erster der Zug der Cimberu und
Teutonen bekannt geworden ist, lag nicht zunächst in einem den Germanen
eigenen Wandertriebe, sondern vor allem in der Verlegenheit. um Grund-
und Boden. Als in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung
die Teilung des Grundbesitzes stetig fortschritt und zur Bildung zahl¬
reicher selbständiger Familien führte, nahm die Bevölkerung rasch zu und
verursachte eine wahre Landnot. der man sich nur durch Auswanderung
entziehen konnte.
Eine weitere Ausbreitung der Germanen in den östlichen Ebenen
unseres Erdteils wurde durch Einwanderungen aus Hochasien verhindert;
um so mächtiger drängten die Germanen nach Süden und Südwesten, bis
zuletzt sämtliche Länder des weströmischen Reiches in ihren Händen waren.
Durch die Einwanderung der Hunnen* wurde diese Wanderung der
Germanen in noch lebhaftere Bewegung gebracht. Wann dieses finnische
^eitervolk aus den Steppen Asiens aufbrach, ist ungewiß. Im 4. Jahr¬
hundert gelangten sie auf der großen Völkerstraße zwischen dem Südfuß
des Uralgebirges und dem Kaspischen Meere an die Ostgrenze Europas.
Ihr Einbruch in unseren Erdteil bezeichnet den Beginn der großen 375
Völkerwanderung.
Den nächsten Ansturm richteten die Hunnen auf die Alanen, die
sich ihnen unterwerfen mußten. Jenseit des Don erlagen ihnen alsdann
die Ostgoten, deren greiser König Ermanarich sich den Tod gab. Alle
drei Völker warfen sich nun auf die Westgoten, die teils bereits zum
Christentum übergetreten waren, teils noch im Heidentum lebten. Letztere
suchten Zuflucht in den Karpaten, erstere wurden auf ihre Bitte vom
Kaiser Valens südlich von der Donau angesiedelt, wo sie eine Wacht
gegen die* nahen Barbaren bilden sollten. Bald aber wurde ihnen die
Habgier der römischen Statthalter zu unerträglichem Druck. Ingrimmig
erhoben sie sich, eroberten Mareiauopel am Schwarzen Meer und durch¬
zogen unter schrecklichen Verwüstungeu ganz ^Thrazien. Nachdem die rö¬
mischen Feldherren sie vergebens bekämpft hatten, IfoglTer Kaiser Valens x
selbst gegen sie aus; aber in der mörderischen Schlacht bei Adrianopel A
(378) mußte er ihnen Sieg und Leben lassen. In dieser Not übernahm
der Kaiser Theo dos ins, ein Spanier, das Herrscheramt, der letzte unter
den großen romischen'Mrsern. Er versöhnte die gefährlichen Fremdlinge,
die gegen ein Jahrgeld in das römische Kriegsheer eintraten. Kurz vor
seinem Tode teilte Theodosius das römische Weltreich unter seine beiden 395
Söhne. Der achtzehnjährige Arkadius erhielt Ostrom mit der
Hauptstadt Konstantinopel; es umfaßte Ägypten, die asiatischen Provinzen,