Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in Präparandenanstalten (Teil 1)

Heinrich in Canossa. 53 
Damit die Geistlichen nicht durch die Sorge für Weib und Kind an die 
Welt gefesselt würden, gab er die Verordnung des Zölibats oder der 
Ehelosigkeit der Geistlichen, und damit die Bischöfe, Äbte und Geistlichen 
nur vom Papste abhingen, beanspruchte er das Recht der Investitur, 
d. h. er allein wollte die Bischöfe in ihr Amt einsetzen, während sie bis- 
her, da sie doch auch große weltliche Besitzungen hatten, auch dem Könige 
den Eid des Gehorsams geleistet hatten. Jeden, der sich diesen Anord- 
nungen widersetzen wollte, bedrohte er mit dem Bann. Zugleich befreundete 
er sich mit den normannischen Fürsten Unteritaliens, um an ihnen auch 
einen Rückhalt weltlicher Macht zu haben. 
Gregor hatte mehrere deutsche Bischöfe und einige Räte des Königs 
wegen Simonie in den Bann getan; aber Heinrich ließ sie trotzdem in 
ihren Ämtern. Deshalb drohte ihm Gregor ebenfalls mit dem Banne. 
Da ließ der König durch die deutschen Bischöfe die Absetzung des Papstes 
aussprechen. Die lombardischen Bischöfe stimmten diesem Beschlüsse zu. 
Ein Schreiben des Königs an den Papst trug die Aufschrift: „Heinrich, 
nicht durch Anmaßung, sondern durch Gottes heilige Einsetzung König, 
an Hildebrand, nicht den Papst, sondern den falschen Mönch." Der Schluß 
des Briefes lautete: „Steige herab! Ein anderer besteige den Stuhl Petri, 
der die lautere Lehre des heiligen Petrus verkündet. Steige herab! Steige 
herab!" Als Gregor diesen Brief erhielt, setzte er die deutschen Bischöse 
ab und tat sie samt dem Könige in den Bann. Alle Untertanen Heinrichs 
waren damit von ihrem Eide des Gehorsams gelöst. Viele Fürsten stelen 
sofort von ihm ab, und in Sachsen loderte der Aufstand von neuem auf. 
Die Fürsten erklärten Heinrich, sie würden einen neuen König wählen, 
wenn er nicht binnen kurzer Frist des Bannes ledig wäre. Verlassen 
von allen, lebte der König mit seiner Gemahlin und einigen Dienern zu 
Speier; er mußte sich der Regierungsgeschäfte enthalten und durfte die 
königlichen Abzeichen nicht tragen. Dazu drang das Gerücht zu ihm, der 
Papst sei schon aus dem Wege nach Deutschland, um auf einem Fürsten- 
tage zu Augsburg über ihn zu Gericht zu sitzen. 
d. Heinrich in Canossa. In dieser Not beschloß Heinrich, sich dem 
Papste zu Füßen zu werfen. Heimlich verließ er Speier mit seiner Ge- 
mahlin und seinem dreijährigen Sohne. Seine Feinde aber hatten alle 
Pässe über die Alpen besetzt; deshalb wandte er sich nach Burgund und 
ging von hier mitten im Winter über die Alpen. Nach einer äußerst 
beschwerlichen Reise gelangte er an den Südsuß der Alpen. Die Lom- 
barden jauchzten ihm laut entgegen; sie meinten, er sei gekommen, um 
den übermütigen Papst zu züchtigen. Heinrich aber sagte ihnen, er sei 
gekommen, Buße zu tun. Gregor war bereits auf der Reise nach Augs- 
bürg; als er von Heinrichs Ankunft hörte, kehrte er um und begab sich 
zur Sicherheit auf die Burg Canossa bei Modena. Vor diesem Schlosse 
erschien auch Heinrich, barfuß und in härenem Gewände. Aber die
	        
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