Full text: Geschichte des Altertums (Teil 1)

II. Die Zeit der athenischen Großmacht (479 — 431). 
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Um dieses Ziel zu erreichen, wollte Perikles nicht nur die 
politische Machtstellung seiner Vaterstadt stärken, was die Voll¬ 
endung der Demokratie zur Voraussetzung hatte (§ 37 c), sondern 
sie auch zur wirtschaftlichen und geistigen Hauptstadt der 
Hellenenwelt machen. 
a) Die politischen Verhältnisse. § 
Da die Bundesgenossen gezwungen waren vor athenischen^ 
Gerichtshöfen ihre Prozesse zu führen (§ 37b) und diese (ähn¬ 
lich wie unsere Schwurgerichte) aus Bürgern bestanden, nur daß 
in Athen ein Gerichtshof mehrere Hundert Geschworene zählte, 
war ein großer Teil der Bürgerschaft fast fortwährend in Gerichts¬ 
sitzungen beschäftigt. Dafür erhielten sie vom Staate eine Ent¬ 
schädigung oder Besoldung. Später wurden auch für andere 
"staatliche Verrichtungen Entschädigungen gezahlt, ja sogar für den 
Besuch des Theaters und die Teilnahme an Festlichkeiten. 
Das System der Besoldungen, durch welches fast die ge¬ 
samte Bürgerschaft für staatliche Leistungen einen Entgelt erhielt, 
wirkte später sehr nachteilig: politisch, indem es die Bundes¬ 
genossen erbitterte; finanziell, indem es den größten Teil der 
Staatseinkünfte verschlang; sozial, indem es zu einer starken 
Belastung der Besitzenden führte, als die Beiträge der Bundes¬ 
genossen aufhörten, und so den Klassengegensatz verschärfte; 
moralisch, indem es die Vorstellung nährte, der Staat habe die 
Nichtbesitzenden zu unterhalten. 
Darin besteht die Größe der athenischen Demokratie, daß 
sie den Gedanken der Selbstregierung der Bürgerschaft durch das 
von dieser Bürgerschaft festgestellte Gesetz und der politischen 
Rechtsgleichheit der Bürger mit Ernst verwirklicht und den Ein¬ 
zelnen befähigt hat innerhalb dieses Gesetzes seine Kräfte frei zu 
entwickeln und also eine unvergleichliche Kultur zu schaffen. 
Darin aber, daß der ideellen Rechtsgleichheit der Bürger die tat¬ 
sächliche Verschiedenheit der sozialen Klassen gegenüberstand, daß 
ferner die souveräne Volksversammlung nur leistungsfähig war, wenn 
sie von einer bedeutenden Persönlichkeit, dem Manne ihres vollen 
Vertrauens, beherrscht wurde, lagen die Gefahren der Demokratie. 
Übrigens ist die antike Demokratie nach modernen Begriffen 
immer eine aristokratische Verfassung: denn statt des modernen
	        
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