92 Friedrich Wilhelm III. 
Friedrich Wilhelm entließ seine ehemaligen Unterthanen, mit Ausnahme der 
Polen, die sich selbst losgesagt hatten, durch eine öffentliche Bekanntmachung. In 
derselben heißt es: „Der Friede mußte abgeschlossen werden. Er legte Mir 
und Meinem Hause schmerzliche Opfer auf. Was Jahrhunderte, biedere Vor- 
fahren, was Liebe und Vertrauen verbunden hatten, mußte getrennt werden. 
Mein und der Meinigen Bemühen war fruchtlos. Das Schicksal gebietet, der 
Vater scheidet von den Kindern. Ich entlasse euch aller Unterthanen))flicht gegen 
mein Haus. Unsere Wünsche für euer Wohl begleiten euch zu euerttt neuen 
Landesherrn: seid ihm, was ihr Mir wäret. Euer Andenken kann kein Schicksal, 
keine Macht aus Meinem und der Meinigen Herzen vertilgen." Von vielen Seiten 
gingen die rührendsten Antworten auf diesen edlen, einfachen Abschied ein. Tie 
Königin Luise schrieb damals an ihren Vater: „Zwei Hauptgründe habe ich, 
die mich über alles erheben; der erste ist der: wir sind kein Spiel des blinden 
Zufalls, sondern wir stehen in Gottes Hand — der zweite: wir gehen mit 
Ehren unter!" 
3) Preußens Wiedergeburt. 
a. Preußens Lage. Der Friede zu Tilsit bezeichnet den Zeitpunkt 
der tiefsten Erniedrigung Preußens. Aber das Unglück bewies sich als 
den bebten Arzt: es deckte die Schäden im Staats'- und Volksleben auf 
und zeigte jedem, daß es nur beffer werden könne, wenn er felber sich 
bessere. So ist das Unglück von Jena und Tilsit, als der Quell der 
preußischen Wiedergeburt, unter Gottes Beistand für Preußen ein Segen 
geworden. Die KMigin Piuse schrieb an ihren Vater: „Es wird nur , 
immer klarer, daß alles so kommen mußte, wie es gekommen^st Wir sind 
eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen, welcher, der Herr 
jeines Jahrhunderts, eine neue JeiMclnu. Wir sind mit derselben nicht I 
fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns. Von Napoleon können wir 
vieles lernen, und es wird nicht verloren fein, was er gethan und aus-! 
Cs wäre Lästerung , zu fasert, Gottse'imit ihm - TTEer j 
offenbar' ist er ein Werkzeug in des Allmachtigen Hand, um das Alte, j 
welches kein Leben mehr hat, zu begraben." ^ 1 
Die?agede"s S ta ates war zunächst eine sehr schwierige. Nicht 
nur, daß die Hälfte delf Landergebiets mit vielen treuen Unterthanen 
verloren gegangen war, die zurückgebliebene Hälfte war schon ausge¬ 
sogen, die Kräfte des Landes^ besonders in Preußen, waren erschöpft? 
der Viehstand zerstört, viele Städte und Dörfer abgebrannt, viele tausend 
Familien ins^Elend getrieben, ^n einem einzigen Orte mußten 500 Kinder 
armer, verschollener Eltern aus öffentliche Kosten ernährt werden. Und 
dieses Land sollte nun die ungeheure Kriegsschuld von 120 Mill. Franken / 
aufbringen und bis zu deren völliger Abzahlung eine ftanzojWe Besatzung 
von 150 000 Mann ernähren! Dabei verfuhren die französischen Be- 
Hörden mit der größten Härte und Willkür. In dieser traurigen Lage 
richteten sich aller Augen auf einen Mann, auf den Frei Herrn von 
, der aus einem alten Rittergeschlechte in Nassau stammte und 
fchon preußischer Minister gewesen war, aber diesen Dienst verlassen 
hatte, weil sein Rat, die Staatsverwaltung zu ändern, vom Könige 
nicht befolgt war. ..Wo bleibt denn Stein?" schrie di<> ■
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.