36 Die Neuzeit.
einnahmen waren verdreifacht, und obwohl der König 30 Millionen Mark
auf den Anbau des Landes, 21 Millionen zum Ankauf neuer Krongüter
und 4V2 Millionen zum Ankauf von Silberzeug verwandt hatte, enthielt
der Staatsschatz doch noch 26 Millionen Mark an barem (Selbe. Einen
noch größeren Schatz hinterließ ber König aber baburch, baß er burch
bas eigene Beispiel sein Volk wieber an ein schlichtes, einfaches Wesen
gewöhnt unb strenge Sittlichkeit unb Arbeitsamkeit bei ihm wieber zu
Ehren gebracht hatte.
4. Peter der Große und Karl XII.
a. Peters Reisen und Neuerungen. Gegen Enbe bes 17. Iahr-
hunberts galt Rußlanb noch für eine Wilbnis Europas. Die Bewohner
gehörten allerdings zur griechisch-katholischen Kirche, waren aber roh unb
unwissenb unb ihrem Zar, b. i. Kaiser, wie Sklaven unterthan. Da
erbte (1682) Peter I. als 10jähriger Knabe mit seinem schwachsinnigen
Bruber gemeinsam ben russischen Thron; aber seine herrschsüchtige
Schwester Sophie ließ sich mit Hilfe ber Leibwache, ber Strelitzen,
zur Regentin ausrufen unb hielt Peter sieben Jahre lang von ber Re¬
gierung fern. Schon als Knabe übte biefer eine Schar Spielkameraben
nach europäischer Weise ein, wobei ein in russischen Diensten stehenber
schottischer Oberst sein Lehrmeister war. Mit Hilfe biefer Spielkameraben,
deren Zahl stetig wuchs, sandte er seine Schwester als Gefangene in
1689 ein Kloster unb war nun Alleinherrscher. Neben einem guten Heere
wollte Peter sich auch eine Seemacht schaffen. Ein m Moskau lebenber
holländischer Schiffszimmermann zimmerte ihm bie ersten Böte. Doch
es fehlte Rußlanb an einem geeigneten Meere, nur bas Eismeer stanb
ihm offen; benn bie Ostseeküste (Livlanb, Esthlanb, Ingermannland)
gehörte Schweden, unb am Schwarzen Meere herrschten bie Türken.
Da gelang es ihm, Asow ben Türken zu entreißen unb baburch am
asowschen Meere festen Fuß zu fassen. Um ben Krieg gegen bte Türken
mit Erfolg fortsetzen zu können, mußte er eine beffere Flotte haben;
beshalb beschloß er, eine Reise ins Auslanb zu unternehmen, um
bas Seewesen ber Holländer unb Englänber kennen zu lernen. Es würbe
eine große Gesanbtschast abgeorbnet; an beren Spitze stanb Peters
Freunb Lefort, ein rufsifcher Oberst aus Genf, ber Zar selber reiste
nur als gewöhnliches Mitglieb ber Gesanbtschast unter betn Namen „Peter
Michailow." Über Königsberg unb Berlin ging's nach Amsterdam.
Als hollänbischer Schiffszimmermann gekleibet, besuchte der Zar bte
Werkstätten ber Künstler unb Hanbwerfer, bie Schleusen unb Damme,
Mühlen unb Fabriken. In Zaanbam, nahe bei Amsterdam, arbeitete
er als gemeiner Russe selber mit betn Zimmermannsbetle; noch heute
zeigt man bas Hauschen, bas er bewohnte. In Amsterdam trat er bei
einem Schiffsbaumeister in bie Lehre, teilte alle Mühe unb Arbeit mit
feinen Genossen unb ließ sich auch ein förmliches Zeugnis ausstellen.
Von Hotianb ging Peter nach England. König Wilhelm III. veran-