Full text: Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit bis 1648 (Teil 2)

238 Geschichte der Neuzeit. — Erste Periode. 
ungehindert die ihnen sonst verschlossene Ostsee. Den Bürgern fehlte der 
frühere Wagemut und das trotzige Selbstgefühl; an die Stelle der Selbst- 
Verwaltung trat jetzt in vielen Städten das Regiment landesherrlicher 
Beamten. Mit dem Aufkommen der stehenden Heere schwand bald die 
Wehrhastigkeit der Bürger; die einst so fröhlichen Volksfeste verkümmerten. 
Zu großen öffentlichen Bauten fehlte es an Geld; die noch erhaltenen 
Bürgerhäuser aus jener Zeit aber legen durch ihre Ärmlichkeit und 
Nüchternheit ein deutliches Zeugnis ab von dem Verfall des damaligen 
Bürgertums. Die meisten freien Reichsstädte wurden von den jetzt auf- 
blühenden Residenzstädten überholt; mehrere derselben, wie Braunschweig, 
Magdeburg und Erfurt, verloren ihre Selbständigkeit. 
Auch der Adel, besonders der Landadel hatte dnrch den Krieg sehr 
gelitten; seine Güter waren verwüstet, seine Bauern zusammengeschmolzen 
und verarmt. Sie drängten sich jetzt an die Höfe und suchten dort oder 
in den stehenden Heeren eine Stellung zu sinden. 
b. Einfluß des Krieges aus Sprache und Sitte. Infolge des 
Krieges nahm auch die Sprachmengerei in Deutschland überhand; doch 
ist dieselbe damals nicht erst aufgekommen. Die Vorliebe des Deutschen 
für alles Fremde, seine Fähigkeit, fremde Sprachen sich leicht anzueignen, 
sowie die Lage Deutschlands erleichterten das Eindringen fremder Wörter 
in die deutsche Sprache. Schon mit dem Ritterwesen, durch den kaiser¬ 
lichen Hof seit Karls V. Zeit und durch die französischen Flüchtlinge 
waren viele Fremdwörter nach Deutschland gekommen, den Höhepunkt 
erreichte die Sprachmengerei im 17. Jahrhundert durch die vielen fremden 
Kriegsvölker und infolge des schwindenden Selbstgefühls des deutschen 
Volkes. Solche fremden Flitter dienten und dienen noch heute meistens 
nur dazu, dem Redenden einen gelehrten Schein zu geben, die Hohlheit 
und Gedankenlosigkeit der Rede zu verbergen; denn Eitelkeit und Prahlerei 
sind ein Hauptmerkmal jener Zeit. Dies hohle, auf den äußeren Schein 
gerichtete Wesen, das Aufgeben der ehrenfesten, väterlichen Sitte, das 
Schuldenmachen und leichtfertige Leben belegte man mit dem Ausdruck 
„ä la mocle", wodurch man es zugleich als etwas Undeutsches bezeichnete. 
Locker, eitel und gesucht war auch die Tracht: das aus Frankreich ein- 
geführte, mit goldenen und silbernen Tressen besetzte Staatskleid, die 
Reifröcke und Schnürleiber der Frauen, die Perücken. Ludwig XIY. 
wurde den deutschen Fürsten maßgebend für ihre Prachtbauten und Garten- 
anlagen, für die Hofhaltung und zum Teil sogar für ihr Privatleben. 
Umsonst richteten Opitz, Logau, Moscherosch, Lauremberg u. a. ihre sati¬ 
rischen Pfeile gegen solche Verwischung; erst das infolge der Siege 
Friedrichs des Großen, sowie der Kämpfe für Deutschlands Befreiung 
und Einigkeit wieder kräftig erstarkte deutsche Nationalgefühl hat auch 
hierin Wandel geschaffen.
	        
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