Full text: Geschichte des Altertums (Teil 1)

18 Morgenländische Völker. 
die Weichteile aus dem Körper entfernt waren, wurde er mit Myrrhen 
und andern Gewürzen gefüllt; dann spritzte man ihm allerlei erhaltende 
Stoffe ein, legte ihn in Natronlösung, umwickelte ihn mit Leinen und 
legte ihn in eine papierähnliche Umhüllung und diese wieder in hölzerne 
und steinerne Särge. Solche einbalsamierte Leichen oder Mumien von 
Menschen und Tieren haben sich bis heute erhalten. Dereinst vereinigt 
sich die Seele wieder mit dem Körper. Die Frommen, die vor dem 
Totengerichte des Osiris bestehen, leben fortan in der seligen Gemein- 
schaft der Götter, während die Gottlosen ruhelos umherirren müssen. 
§ 6. Kunst und Wissenschaft der Ägypter. 
Der Nil ist nicht nur der Ernährer, sondern auch der Lehrer der 
Ägypter geworden. Er zwang sie, die übergroße Flut durch gemeinsam 
angelegte Dämme einzuschränken, der spärlichen durch Kanäle und Schöpf- 
werke nachzuhelfen, sowie nach einem Mittel zu suchen, den Zeitpunkt der 
regelmäßig eintretenden Überschwemmung festzustellen. So wurden sie zur 
Astronomie und zu Wasserbauten, sowie zur Gründung größerer Ge¬ 
meinschaften angehalten. Da der Nil alljährlich die Ackergrenzen ver- 
wischte, wurden Feldmessungen und strenge Gesetze zum Schutze des 
Besitzes unentbehrlich; außerdem bot der große Strom mit seinen vielen 
Kanälen die beste Gelegenheit zur Schiffahrt. Der Nilschlamm wurde 
zu Töpferwaren, sowie zur Herstellung von Wohnungen der Ärmeren 
benutzt; Kalk, Sandstein und Granit lieferten die nahen Gebirgsketten. 
Die großartigsten Bauwerke sind zu Ehren der Götter und zum 
Schutze der Leichname aufgeführt. Wer es irgend vermochte, sorgte dafür, 
sich einen dauerhaften und würdigen Grabbau herzurichten. In der 
libyschen Bergkette, westlich von Memphis, befindet sich eine zwei Stunden 
lange Totenstadt; in mehreren Stockwerken liegen die Grabkammern, 
die durch Gänge miteinander verbunden sind, übereinander. In einem 
tiefest Schachte steht der Sarg; daneben befindet sich eine offene Halle, 
in welcher die Überlebenden Opfer darbringen. Oft sind die Wände mit 
Darstellungen aus dem Leben des Verstorbenen mannigfach geschmückt. 
Die Königsgräber sollten noch dauerhafter sein und sich schon äußer- 
lich von den übrigen unterscheiden. Gleich beim Regierungsantritt begann 
der König mit dem Bau seines Felsengrabes, das er mit Steinen bedeckte; 
je länger er regierte, desto mächtiger erhob sich der Bau. So entstanden 
die Pyramiden. Die Steine derselben liegen ohne Mörtel aufeinander; 
der äußerste Mantel bestand ursprünglich aus geschliffenen Granitblöcken, 
die jetzt aber abgefallen sind. Noch heute liegen an der Westseite des 
Nils s. v. Kairo 67 Pyramiden. Die großen haben quadratische Grund- 
stäche; die größte derselben, die des Cheops, hat noch heute 227 in Länge
	        
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