Die Phönizier. — Religion. 25
schnecken (Murex- und Purpurea-Arten) enthalten eine Drüse mit einem
Farbstoff, der durch die Einwirkung der Sonne eine violette Farbe an¬
nimmt; je nach der Stärke, in welcher der Farbstoff aufgetragen wird,
oder durch Mischung des Saftes von verschiedenen Schnecken kann man
ein dunkleres oder ein mehr dem Rot sich näherndes Violett herstellen.
Man färbte gewöhnlich die Rohstoffe, nicht das Gewebe. Das Purpur-
gewand wurde der Schmuck der Könige, Priester und der vornehmen
Stände des Morgenlandes und diente zu Vorhängen in Tempeln (Stifts-
Hütte!) und Palästen. Später wurde es auch im Abendlande viel ge¬
tragen; durch ganz Italien und Griechenland gab es Purpurfabriken. —
In der Weberei haben die Phönizier ihre Vorbilder, die Babylonier,
nicht erreicht; dagegen waren sie Meister in der Glasbereitung, die
sie von den Ägyptern gelernt hatten (Sarepta oder Zarpath = Schmelze).
Aus Holz, Elfenbein und Bernstein schnitzten sie wertvolle Schmucksachen;
sie verstanden Edelsteine zu schleifen und einzufassen. Auch im Berg-
bau waren sie sehr erfahren, und die gewonnenen Metalle verstanden sie
zu verarbeiten (1. Kön. 7, 13 ff.!).
Daß die Phönizier auch geschickte Baumeister waren, zeigt die Be-
schreibnng von Salomos Tempelbau; die großartigsten Tempel, Paläste
und Festungsmauern befanden sich in Neu-Tyrus. Aber von alle dem
ist nichts auf uns gekommen, die einzigen noch vorhandenen Zeugen
phönizischer Baukunst sind die Felsengräber, die sich in den Vorhöhen
des Libanon und westlich der Trümmer Karthagos in mehreren Stock-
werken übereinander zu weiten Totenstätten ausdehnen. Die Art der
Gräber, der Särge und der Bestattung war der ägyptischen nachgebildet;
die Kunst folgte in alter Zeit babylonischen, in neuerer ägyptischen Vor-
bildern. Die Phönizier galten bei den Alten auch als Ersinder der Buch-
ftabenschrift. Ursprünglich bedienten sie sich ebenfalls einer Bilderschrift;
später ließen sie alle Begriffs- und Silbenzeichen fahren und wählten aus
der Fülle der Zeichen 22 aus, deren jedes nur einen Konsonanten be-
zeichnete, während die Vokale, wie in allen semitischen Sprachen, nicht
mitgeschrieben wurden. Die dadurch entstandene reine Lautschrift hat sich
nach und nach die ganze Welt erobert; die meisten der gegenwärtig in
der Welt gebräuchlichen Alphabete sind unmittelbar oder mittelbar aus
ihr abgeleitet (S. 20).
§ 10. Religion der Phönizier.
Die Phönizier waren wahrscheinlich ein Mischvolk ans einer hami-
tischen Urbevölkerung und zugewanderten Semiten; für ihre Verwandt- ,
Schaft mit letzteren zeugt ihre Sprache und ihre religiöse Anschauung.
Nach der ältesten Anschauung der Semiten (S. 28), auch der Phönizier,