Die ersten Regierungsjahre Friedrichs des Großen. 87
seinen „Machiavell", in welchem er einen wahren Fürsten schildert und den
später von ihm auch befolgten Grundsatz ausspricht: „Der Fürst soll
der erste Diener des Staates sein."
d. Heimgang des Königs. Mit seinem Vater stand Friedrich jetzt
in dem besten Einvernehmen; je mehr er sich mit der Staats- und Heeres-
einrichtung vertraut machte, desto mehr lernte er dessen unsterbliche Ver¬
dienste um Preußen schätzen. Da traf ihn im Mai 1740 unerwartet die
Nachricht von einer schweren Erkrankung seines Vaters. Friedrich
Wilhelm war von sehr kräftigem Körperbau; aber bei seiner rastlosen
Arbeit wurden seine Kräfte frühzeitig verzehrt. Gicht und Wassersucht
quälten ihn; aber obschon todkrank, ließ er sich in einem Rollstuhle hinaus-
fahren, um den Bau des Marstalles zu besichtigen; viel Volks umgab
ihn, da traf der schleunigst herbeigeeilte Kronprinz ein und umarmte
seinen Vater unter heftigem Schluchzen. Dankbaren Herzeus rief der
König: „Thnt mir Gott nicht viele Gnade, daß er mir einen so würdigen
Sohn zum Nachfolger gegeben hat!" Noch einmal versammelte der
König die königlichen Prinzen, die Minister und Generale, um in ihrer
Gegenwart dem Kronprinzen die Regierung zu übergeben, segnete die
Seinen und beobachtete durch Bewegung der einzelnen Glieder, wie weit
der Tod schon von seinem Leibe Besitz genommen habe. Mit dem Gebet:
„Herr Jesu, du bist mein Gewinn im Leben und im Sterben" entschlief 1740
er. „Er starb," schrieb später Friedrich der Große, „mit der Festigkeit
eines Philosophen und mit der Ergebung eines Christen. Er bewahrte
eine wunderbare Geistesgegenwart bis zum letzten Augenblicke seines
Lebens, indem er seine Geschäfte leitete wie ein Staatsmann, die Fort-
schritte seiner Krankheit prüfte wie ein Naturforscher und über den
Tod triumphierte wie ein Held. Diesem Fürsten verdankt Preußen
die Gründung seines Heeres und damit sein ganzes Ansehen."
Friedrich Wilhelm hinterließ seinem Nachfolger einen blühenden Staat von
2145 Quadratmeilen mit etwa 21/i Millionen Einwohnern, ein schlagfertiges
Heer von 83000 Mann und einen Staatsschatz von 30 Millionen Mark;
außerdem hatte er 30 Millionen auf die Verbesserung des Landes verwandt.
Zeitalter Friedrichs des Großen; —\786.
§ 14. Die ersten Regierungsjahre Friedrichs des Großen.
a. Regierungsantritt. Voller Spannung hatten die europäischen
Höfe und das deutsche Volk dem Thronwechsel in Preußen entgegengesehen;
aber fast alle wurden enttäuscht, am meisten diejenigen, welche erwartet
hatten, Friedrich werde in Ruhe und Frieden ein goldenes Zeitalter der
Kunst und Wissenschaft heraufführen; nur wenige wußten, daß er vor
Begierde nach Kriegsruhm brannte. Seinen Ministern sagte er: „Ich