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Neue Geschichte.
die Lehren und Einrichtungen Calvins. Auch sie wurden, ähnlich wie
in Spanien, mit Grausamkeiten aller Art verfolgt; aber ihre Zahl war
trotzdem gewachsen. Ja, es kam zu offenem Kriege zwischen den beiden
Religionsparteien, und als die Katholiken — die Partei des Hofes —
mit Gewalt nichts ausrichten konnten, nahmen sie ihre Zuflucht zur
Verstellung und zum Meuchelmord.
b. Die Bartholomäusnacht; Pariser Bluthochzeit. Der Hof
stellte sich freundlich gegen die Hugenotten, man bewilligte ihnen freie Reli¬
gionsübung, und die Mutter König Karls IX., Katharina von
Medici, vermählte sogar ihre Tochter, Margarete von Valois
(spr. Waloa), mit einem der Häupter der reformierten Partei, Heinrich
von Navarra. Die Häupter der Hugenotten, Admiral Coligny
(spr. Kolinji) und der Prinz Conds (spr. Kongdee), nebst einer großen
Zahl ihrer Glaubensgenossen wohnten der Feierlichkeit bei und wurden
von der königlichen Familie mit Auszeichnung empfangen. Aber man
hatte sie nur nach Paris gelockt, um sie mit einem Schlage vernichten zu
können. Der junge König war von Herzen wohlwollend, aber leicht
heftig und gereizt. Seine Mutter Katharina erfüllte seine Seele mit
gräßlichen Bildern von den geheimen Plänen der Hugenotten und drang in
ihn, in eine allgemeine Ermordung der Hugenotten zu willigen. Anfangs
sträubte er sich'; als man ihm aber beteuerte, Coligny habe eine Ver¬
schwörung gegen den Thron und gegen alle Katholiken eingeleitet, rief
er: „Man töte den Admiral, aber nicht ihn allein, sondern alle Huge¬
notten, damit auch nicht einer übrig bleibe, der mir darüber Vorwürfe
machen könnte!"
Die Vorbereitungen zu diesem grauenvollen Blutbade wurden mit
aller Verschwiegenheit getroffen; die Nacht vom 23. auf den 24. August
15)72 ward zur Ausführung bestimmt. Nur Heinrich von Navarra und Prinz
Conds sollten verschont bleiben, aber gezwungen werden, die katholische
Religion anzunehmen. Die Glocke des Schlosses sollte das Zeichen geben,
ein weißes Band am linken Arm das Kennzeichen der Katholiken sein.
Als es dunkel geworden, erwartete der König mit klopfendem Her¬
zen die bestimmte Stunde. Seine Mutter verließ ihn keinen Augenblick,
sondern sprach ihm Mut ein. Dennoch mußte man ihm endlich den
unheilvollen Befehl zum Läuten der Glocke abnötigen. Mit der Unruhe
eines Verbrechers lief der König zum Fenster und sah zitternd in die
Nacht hinaus. Dasselbe thaten'seine Mutter und sein Bruder; auch sie
zitterten in ängstlicher Erwartung des zweifelhaften Ausganges. Endlich
fiel ein Pistolenschuß, darnach war es wieder still. In der Angst wünschten
sie den unheilvollen Befehl zurück, aber zu spät: das Blutbad hatte be¬
reits begonnen.
Gleich nach dem gegebenen Zeichen hatten 300 Geharnischte das
Haus Colignys besetzt.' Auf den Zuruf: „Im Namen des Königs!"
wurde die Pforte geöffnet, und die Verwegensten stürzten die Treppe
hinauf, ermordeten die Wache und drangen in das Schlafzimmer des
Admirals. Dieser war gleich bei dem ersten Lärm aufgesprungen und
stand mit dem Rücken an die Wand gelehnt, als die Mörder eindrangen.